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300 - Unter Mutanten

300 - Unter Mutanten

Titel: 300 - Unter Mutanten
Autoren: Oliver Fröhlich
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Kruzzar kannte die Stimme, die in seinem Kopf erklang. Es war dieselbe, die ihn überhaupt erst hierher geführt hatte. Die des Genmutanten - eines Experiments der Bunkerleute, das die Merkmale aller drei Mutantenvölker in sich vereinte und das sie »G-13« genannt hatten.
    Der am ganzen Körper dicht behaarte, schlundlippige Wulfane stand vor einem großen, noch gut erhaltenen Haus, wie es sie vor allem in Richtung Hafen häufiger gab. Dort schienen die Menschen auch nicht so barbarisch zu sein wie im Stadtinneren. Sie trugen bessere Kleidung und rochen statt nach Dreck und Schweiß gelegentlich sogar nach Seife.
    Für Kruzzar und seine Artgenossen machte das keinen Unterschied. Und er mochte wetten, für die Nosfera und Guule noch weniger. Die vertrockneten, mumienhaften Blutsäufer interessierten sich nicht für Äußerlichkeiten, sondern nur für das rote Elixier, das in den Menschen floss. Und wenn sich erst die dürren Leichenfresser mit ihnen befasst hatten, war vom Seifengeruch ohnehin kaum noch etwas übrig.
    Der Wulfane fand es erstaunlich genug, dass er Seite an Seite mit Vertretern der anderen Mutantenrassen gegen den gemeinsamen Feind kämpfte. Aber der geistige Hilferuf des Genmutanten einte sie und ließ sie alle Unterschiede vergessen. [1]
    Auch Kruzzar hatte den Ruf von G-13 empfangen, auch wenn er keine Ahnung hatte, was der Name bedeutete. Anfangs hatte er überlegt, ob es sich um einen Trick der Menschen handeln konnte, möglichst viele Mutanten zu sich zu locken. Doch die Eindringlichkeit des Hilferufs, der Schmerz, der darin mitschwang, zugleich aber auch die Kraft und der Stolz, all das überzeugte Kruzzar, ihm zu folgen.
    Und nun stand er vor dem großen Haus, in das er gerade noch zwei Männer hatte fliehen sehen, und wusste nicht, was er tun sollte. Er sah sich um. Einige Meter hinter ihm verharrten vier Nosfera, regungslos, die Köpfe zur Seite geneigt. Auch sie lauschten einer unhörbaren Stimme, die ihnen völlig überraschend den Rückzugsbefehl erteilt hatte.
    Aber warum?
    »Nein!«, brüllte Kruzzar. Die Blicke anderer Wulfanen wandten sich ihm zu. »Wir werden dich nicht im Stich lassen! Niemals!«
    Seine Artgenossen, aber auch die Nosfera und Guule ließen zustimmendes Geheul vernehmen.
    »Lauft, so schnell ihr könnt! Das Ende der Stadt steht bevor!«
    Er zuckte unter der Wucht des Rufs zusammen. »Aber…«
    »Sie wird in einer gigantischen Explosion untergehen. Bald. Also flieht!«
    Kruzzar war sich nicht sicher, ob G-13 ihn oder andere Mutanten zu hören vermochte. Dennoch brüllte er: »Gerade deshalb müssen wir dich befreien.«
    »Sorgt euch nicht um mich. Maddrax wird mir helfen, in einem Gleiter zu entkommen.«
    »Maddrax?«
    »Ein Mensch« , antwortete der Genmutant und bewies dadurch, dass er Kruzzar verstand.
    »Ein… Mensch?«, echote der Wulfane.
    »Nicht alle Menschen sind Feinde. Es waren die Unterirdischen, die Maulwürfe, die Technos, die all die Gräuel an unseren Völkern begingen. Nun lauft endlich - und kehrt nie zurück!«
    Die tiefe Sorge, die Kruzzar in den letzten Worten erkannte, erschütterte ihn bis ins Mark. Er sah an der Wand des Hauses hoch und entdeckte hinter einem Fenster die bleichen Gesichter der Geflohenen, die ihm ängstlich entgegenstarrten.
    Dann warf er sich herum und rannte. Und mit ihm alle anderen Mutantenstreiter.
    Egal wohin. Nur raus aus der Stadt. Weg von dem umzäunten Sicherheitsgebiet, in dem er G-13 wusste. Weg von den Menschen, die ihnen erst voller Erleichterung nachblickten, in deren Mienen sich aber Sorge schlich, als ihnen klar wurde, dass etwas nicht stimmte. Warum sonst sollten sich die Mutanten zurückziehen?
    Kruzzars langes Körperhaar sträubte sich. Jeden Augenblick rechnete er mit einem Knall, mit einer unsichtbaren Faust, die ihm in den Rücken hieb, ihn davonschleuderte. Die Anspannung in seinem Nacken wurde schier unerträglich.
    Doch die Explosion blieb aus. Hatte der Genmutant sich geirrt?
    Kruzzar wusste nicht, wie lange er schon rannte, als Fluggefährte der Technos über ihre Köpfe hinweg rasten. Saß in einem von ihnen G-13? War er in Sicherheit? Hatte der Mensch es geschafft, ihn -
    Eine Explosion erklang. Instinktiv warf sich Kruzzar zu Boden. Wie bei einem Gewitter rollte ein dumpfer Donner über das Land. Als er abebbte, stand der Wulfane auf und sah zurück. Über Ambuur erhob sich eine riesige Säule aus Asche und Dreck.
    Es war tatsächlich geschehen. Große Teile der Stadt existierten nicht mehr.
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