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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret
Autoren: Emile Zola
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der Priester den Kelch nahm,
das Knie beugte und den Altar verließ, um in die Sakristei
zurückzugehen, bedeckten Hauptes unter Vortritt des Ministranten,
der Kannen und Meßtücher zurücktrug, blieb das Gestirn
Alleinherrscher in der Kirche. Nun lagerte sich die Sonne über das
Altartuch und ließ die Türe des Tabernakels in Pracht erglühen zur
Feier der Maienfruchtbarkeit. Wärme hob sich von den Fliesen. Die
getünchten Mauern, das große Marienbild, selbst der große Christus schienen saftreich zu erbeben, als sei
das Tote überwunden von ewig neuer Erdjugend.

Kapitel 3
     
    Die Teusin löschte eilig die Kerzen. Aber sie mußte sich
aufhalten mit dem Verjagen der Sperlinge. So fand sie, als sie das
Meßbuch zur Sakristei zurücktrug, den Abbé Mouret nicht mehr vor;
nach der Handwaschung hatte er die geweihten Gerätschaften
aufgeräumt. Nun stand er schon im Eßzimmer und nahm als
Frühmahlzeit eine Tasse Milch zu sich.
    »Sie sollten wirklich Ihrer Schwester verbieten, Brot in die
Kirche zu streuen,« sagte die Teuse beim Eintreten. »Im vergangenen
Winter kam ihr zuerst dieser nette Einfall. Sie meinte, die Spatzen
frören, und der liebe Gott könne sie recht gut füttern. Sie werden
sehen, das Ende vom Liede wird sein, daß sie uns bei ihren Hühnern
und Kaninchen schlafen läßt.«
    »Dann frieren wir wenigstens nicht,« gab der junge Priester
lustig zur Antwort. »Immer müssen Sie zanken, Teusin. Gönnen Sie
doch unserer armen Desiderata die Liebe zu ihrem Getier. Andere
Freuden kennt sie nicht, die liebe Einfalt.«
    Die Dienerin pflanzte sich mitten im Zimmer auf.
    »Oh, Sie!« begann sie wieder, »Ihnen wäre es gleich, wenn sogar
Elstern in der Kirche nisteten. Sie haben für nichts Augen und
finden alles vollkommen. Ihre Schwester kann froh sein, daß Sie sie
aufgenommen haben beim Austritt aus dem Seminar. Vaterlos,
Mutterlos. Ich möchte wissen, wer ihr erlauben würde, in Stall und
Hof so herumzuwirtschaften, wie sie es tut!«
    Dann geriet sie in Rührung und sagte
sanfter:
    »Das muß wahr sein, schade wär's, sie zu hindern. Sie ist ganz
ohne Falsch, kaum wie ein Zehnjähriges, und doch ist sie eines der
kräftigsten Mädchen hier herum. Wissen Sie, ich muß sie am Abend
noch zu Bett bringen und ihr vor dem Einschlafen Geschichten
erzählen wie einem kleinen Kindchen.« Der Abbé Mouret trank stehend
seine Tasse aus, die Finger etwas gerötet von der Kühle des
Eßzimmers, eines großen, mit Fliesen belegten Raumes, der grau
gestrichen war, und als einzige Einrichtung Tische und Stühle
enthielt. Die Teusin nahm eine Serviette fort, die sie über eine
Tischecke gebreitet hatte zum Frühstück.
    »Wäsche verbrauchen Sie wenig,« knurrte sie. »Man könnte meinen,
Sie dürften sich nicht hinsetzen, Sie wären immer im Begriff
fortzugehen … Ach! Wenn Sie den Herrn Caffin gekannt hätten,
den armen seligen Herrn Pfarrer, dessen Nachfolger Sie sind! Das
war ein verwöhnter Mann! Dem wäre es nicht bekommen, wenn er
stehend gegessen hätte … Er war aus der Normandie, aus
Canteleu wie ich. Oh, danken tue ich es ihm nicht, daß er mich in
dieses Wolfsland gebracht hat. Guter Gott, wie haben wir uns
gelangweilt in der ersten Zeit! Der arme Herr Pfarrer hat recht
ärgerliche Geschichten erleben müssen bei uns … Ei, Herr
Mouret, haben Sie denn vergessen, Zucker in ihre Milch zu tun? Hier
liegen ja die zwei Stücke.«
    Der Priester stellte seine Tasse hin.
    »Ja, mir scheint, ich hab's vergessen,« sagte er.
    Achselzuckend sah die Teusin ihn an. Sie knüpfte eine
Schwarzbrotschnitte in die Serviette, die gleichfalls
auf dem Tische verblieben war. Als sie
darauf sah, daß der Pfarrer sich zum Gehen anschickte, lief sie zu
ihm hin, warf sich vor ihm auf die Kniee und rief:
    »Halt, nicht einmal Ihre Schuhbänder sind gebunden; ich weiß
nicht, wie Ihre Füße diesen Bauernschuhen Stand halten. Sie zartes
Kerlchen sehen aus, als seien Sie nicht schlecht verwöhnt worden
früher! … Na, der Bischof wird wohl gewußt haben, was er tat,
als er Ihnen die armseligste Pfarre des Departements gab.«
    »Aber nein,« sagte der Priester, wiederum lächelnd, »ich selbst
habe mir das Artaud ausgesucht … Sie sind heute morgen arg
griesgrämig, Teusin. Geht's uns denn nicht gut hier? Wir haben
alles Notwendige und leben in paradiesischem Frieden.«
    Da hielt sie an sich, mußte lachen und gab zur Antwort:
    »Ein Heiliger sind Sie, Herr Pfarrer … Kommen Sie und sehen
Sie sich an, wie kräftig meine
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