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Die letzte Minute: Thriller (German Edition)

Die letzte Minute: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
Autoren: Jeff Abbott
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1
    Manhattan, Upper West Side
    Ich klopfte an die grüne Tür und wusste, ich würde in spätestens fünf Minuten entweder tot sein oder die Wahrheit kennen.
    Der Mann öffnete die Wohnungstür, gerade als ich ungeduldig die Faust hob, um ein zweites Mal anzuklopfen. Er sah nicht wie ein Mann aus, der mit Menschenhandel Geld verdiente. Eher wie ein Buchhalter. Er trug einen dunklen Anzug, eine gelockerte, silber und pink gestreifte Krawatte und eine rechteckige Stahlrandbrille. Der Mann strahlte eine gewisse Nervosität und Ungeduld aus. Seine Lippen glänzten fettig von einem Thai-Fast-Food-Gericht, und die Düfte der Mahlzeit– möglicherweise seiner letzten– hingen noch in der Luft.
    Er schaute zuerst mich an, dann die zierliche Frau neben mir, und warf schließlich einen Blick auf seine Uhr.
    » Sie und Ihre Frau haben sich verspätet, Mr. Derwatt«, sagte er. » Um eine Minute.«
    Er irrte sich in drei Punkten. Erstens hieß ich nicht Derwatt. Zweitens war ich mit Mila, der Frau an meiner Seite, nicht verheiratet. Drittens waren wir absolut pünktlich; ich hatte sogar gewartet, bis der Minutenzeiger genau auf zwölf Uhr stand, bevor ich klopfte. Aber ich zuckte großmütig die Achseln, und er öffnete die Tür und ließ Mila und mich eintreten. Er musterte sie misstrauisch, nur für eine Sekunde, doch es entging mir nicht. Milas Blick sprang zu den beiden stiernackigen Schlägertypen, die beim Esstisch standen. Dann schlug sie– scheinbar eingeschüchtert– die Augen nieder.
    Gut geschauspielert. Mila könnte allein mit ihrem Blick einen ausgewachsenen weißen Hai in Schach halten.
    Ich streckte dem Buchhalter die Hand entgegen. » Frank Derwatt. Meine Frau Lilia.«
    » Mr. Bell.« Er schüttelte mir nicht die Hand, ich ließ sie sinken und lachte, wie um die Peinlichkeit zu überspielen. Ich trug eine Jeans, ein pinkfarbenes Polohemd und darüber einen marinefarbenen Blazer. Mila hatte einen schrecklichen geblümten Rock aufgetrieben, der wahrscheinlich ihrer bizarren Vorstellung von einer durchschnittlichen amerikanischen Hausfrau aus einem gutbürgerlichen Vorort entsprach. Dazu trug sie eine pinkfarbene Handtasche. Man hätte annehmen können, dass wir mehr an einer Mitgliedschaft im Country Club interessiert waren als an einer illegalen Adoption.
    » Ich dachte, wir würden uns hier allein treffen«, sagte ich. Mila blieb dicht an meiner Seite, gab sich verängstigt.
    Der Buchhalter wischte sich mit einer Serviette die Thai-Sauce von den Lippen. Ich hätte ihn am liebsten an der Kehle gepackt, gegen die Wand geworfen und gezwungen, mir zu sagen, wo mein Sohn ist. Doch dann hätten sie meinen Jungen wahrscheinlich umgebracht, also verhielt ich mich weiter wie der nervöse Möchtegern-Dad, den ich spielte.
    » Drehen Sie sich zur Wand«, forderte mich einer der Schlägertypen auf. Er trug sein rotes Haar in einem Bürstenschnitt, sein Gesicht war voller Sommersprossen. » Beide.«
    Wir taten, was er verlangte. Ich stellte die kleine Aktentasche ab, die ich bei mir hatte.
    Ich wagte keinen Einwand, schließlich sahen sie in mir einen aufgeregten rechtschaffenen Bürger, wie ich es früher vielleicht tatsächlich einmal war. Ich war ohne Funkgerät und ohne Waffe gekommen, nur mit meiner Wut, die ich tief in mir trug. Der Rotschopf filzte mich gründlich. Auch Mila.
    » Frank«, sagte sie ängstlich, während der Typ sie durchsuchte. Sie spielte ihre Rolle wirklich überzeugend.
    » Keine Sorge, Liebling, das dauert nicht lang«, beruhigte ich sie. » Und dann bekommen wir unser Baby.«
    Mila stieß einen leisen Seufzer aus, eine Frau, die sich von diesem Geschäft das Glück ihres Lebens erhoffte.
    » Mr. und Mrs. Derwatt sind sauber, Mr. Bell«, verkündete der Rothaarige und trat zum Tisch zurück. Ich drückte kurz Milas Hand.
    » Setzen Sie sich, Mr. Derwatt«, forderte mich der Buchhalter auf. » Entschuldigen Sie die Unordnung. Wir haben schon gegessen. Ich treffe mich gewöhnlich nicht abends mit meinen Kunden.«
    Ich wusste, dass er um diese Zeit normalerweise im Pendlerzug zu seiner Familie nach New Jersey fuhr. Ich hatte mich über ihn informiert: Er hatte eine Frau, zwei Söhne, ein hübsches kleines Haus, auf das er eine Hypothek aufgenommen hatte, ein vielversprechendes Leben.
    All die Dinge, die ich auch einmal besessen und dann verloren hatte.
    Der Buchhalter und seine Schläger betrachteten mich eingehend. Sollten sie nur, dachte ich. Ich war gut vorbereitet.
    Einer der Männer öffnete
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