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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret
Autoren: Emile Zola
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Lauge ist. Das ist besser, als wenn
wir uns zanken.«
    Er mußte ihr nachgeben, denn sie hätte ihn nicht fortgelassen,
bevor er ihrer Lauge nicht Beifall spendete. So verließ er das
Eßzimmer; im Gang stolperte er über Schuttgebröckel.
    »Was bedeutet denn das?« fragte er.
    »Nicht das geringste,« gab die Teusin zur Antwort mit
beängstigender Miene. »Nur daß das Pfarrhaus zusammenfällt. Aber
das macht Ihnen ja nichts aus; Sie haben alles, was Sie
brauchen … Ach Gott, an Rissen ist wahrlich kein Mangel; sehen
Sie sich die Decke an. Ist sie noch nicht genügend gesprungen? Wenn
wir nicht einen dieser Tage verschüttet werden, schulden wir
unserem Schutzengel eine gehörige Kerze. Wenn es Ihnen
recht ist, letzten Endes … Gerade wie
mit der Kirche. Vor zwei Jahren schon hätten die zerbrochenen
Scheiben ersetzt werden müssen. Im Winter gefriert der liebe Gott.
Außerdem kämen die spitzbübischen Spatzen dann nicht herein. Ich
mache Sie darauf aufmerksam, daß ich sie eines schönen Tages
eigenhändig mit Papier verkleben werde.«
    »Ja, das ist ein Gedanke,« murmelte der Priester, »man könnte
Papier einkleben … Was die Mauern angeht, die sind fester, als
man glaubt. In meinem Zimmer hat der Boden nur gerade am Fenster
nachgegeben. Das Haus wird uns alle überleben.«
    In dem kleinen Schuppen neben der Küche angelangt, begeisterte
er sich über die ausgezeichnete Lauge, um der Teusin Vergnügen zu
machen; sogar den Finger mußte er hineinstecken und schmecken.
Darauf wurde die entzückte Alte mütterlich. Sie schimpfte nicht
mehr, sondern lief nach einer Bürste mit den Worten:
    »Sie wollen doch wohl nicht ausgehen mit Kotspritzern von
gestern auf der Sutane! Hätten Sie sie abends herausgehängt, wäre
sie sauber … Sie ist noch gut, die Sutane. Aber heben Sie sie
ordentlich auf, wenn Sie über Feld gehen – die Disteln zerreißen
alles.« Und sie ließ ihn sich herumdrehen wie einen Jungen,
bearbeitete ihn von Kopf bis zu den Füßen mit leidenschaftlichen
Bürstenhieben.
    »So, so, das genügt,« sagte er und ergriff die Flucht. »Sie
geben auf Desiderata acht, nicht wahr? Ich will ihr sagen, daß ich
ausgehe.«
    In diesem Augenblick rief eine helle Stimme: »Sergius!«
    Desiderata kam freudegerötet und ohne Hut
angelaufen, ihre schwarzen Haare waren im
Nacken zu mächtigem Knoten verschlungen, Hände und Arme bis zum
Ellenbogen mit Unrat beschmiert. Sie säuberte ihr Federvieh. Als
sie ihren Bruder, mit dem Brevier unter dem Arm, im Begriff sah,
auszugehen, lachte sie noch lauter, hielt die Hände auf den Rücken,
um ihn nicht anzurühren, und küßte ihn gerade auf den Mund.
    »Nein, nein,« stammelte sie, »ich würde dich schmutzig
machen … Oh, was für ein Spaß! Wenn du wiederkommst, mußt du
die Tiere ansehen.« Damit lief sie davon. Der Abbé Mouret sagte, um
elf Uhr wäre er zum Essen zurück. Er war schon auf dem Wege, da
rief ihm die Teusin, die ihn bis zur Schwelle begleitet hatte, noch
letzte Ermahnungen nach.
    »Vergessen Sie nicht, mit dem Bruder Archangias zu
sprechen … Gehen Sie auch bei den Brichets vorbei; die Frau
war gestern da, immer wieder wegen der Heirat. Herr Pfarrer, hören
Sie doch! Ich habe die Rosalie getroffen. Sie wünscht sich nichts
Besseres, als den langen Fortunat zu heiraten, sie schon. Sprechen
Sie mit dem alten Bambousse, vielleicht hört er auf Sie,
jetzt … und kommen Sie nicht erst um Mittag zurück, wie
neulich. Um elf Uhr, nicht wahr? Aber der Priester sah sich nicht
mehr um. Sie ging ins Haus zurück und sprach durch die Zähne:
    »Als ob er auf mich hörte … Das ist kaum sechsundzwanzig
und will immer nach dem eignen Kopf handeln. Der Wahrheit die Ehre,
was die Heiligkeit angeht, nimmt er es auf mit einem
Sechzigjährigen; aber er kennt das Leben nicht, er weiß von nichts;
für den Kleinen ist es nicht schwer, vernünftig zu sein wie ein
Cherub.

Kapitel 4
     
    Als der Abbé Mouret fühlte, daß die Teusin nicht mehr hinter ihm
sei, blieb er stehen und freute sich, endlich allein zu sein. Die
Kirche war auf einer sanft zum Dorf sich senkenden kleinen Anhöhe
errichtet; sie erstreckte sich wie eine verlassene Schäferei mit
großen Fenstern und lustigen roten Dachziegeln. Der Priester sah
sich um und warf einen Blick auf das Pfarrhaus, graues Gebäu, das
an der Flanke des Kirchenschiffes klebte. Dann, als fürchte er sich
eingeholt zu werden von dem nie versiegenden Redestrom, der ihm
seit früh in den Ohren klang, stieg er nach
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