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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret
Autoren: Emile Zola
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dermaßen, daß sie
gleich wieder loslegte: »Bruder Archangias war da … nicht ein
einziges Kind wird heute wohl zur Schule kommen. Wie ein Windstoß
ist er auf und davon, um im Weinberg diese Brut bei den Ohren zu
nehmen… Es wäre gut, wenn Sie mit ihm sprächen – ich glaube, er hat
Ihnen etwas zu sagen.«
    Der Abbé Mouret gebot ihr Schweigen mit der
Hand. Er hatte die Lippen zum Reden nicht mehr aufgetan. Nun sprach
er die vorgeschriebenen Gebete beim Anlegen der Armbinde, die er
küßte, bevor er sie an seinen linken Arm streifte, unterhalb des
Ellenbogens, zum Zeichen des Bemühens um gute Werke und beim
Kreuzen der seine Würde und Machtvollkommenheit darstellenden Stola
über der Brust, nachdem er auch diese geküßt hatte. Die Teuse mußte
Vinzenz beim Befestigen des Meßgewandes behilflich sein; sie zog es
mittels dünner Schnüre zusammen, um ein Rückwärtsgleiten zu
verhindern.
    »Heilige Jungfrau! Ich hab' die Kännchen vergessen,« stotterte
sie, zum Schrank hastend. »Da, geh her, schnell, Bub!«
    Vinzenz füllte die Kännchen, grobe Glasgefäße, währenddem sie
sich beeilte, ein sauberes Wischtuch aus einer Schublade zu nehmen.
Der Abbé Mouret, den Kelch in der linken Hand bei der Verkröpfung
haltend, die Finger der rechten Hand auf dem Beutel, neigte sich
tief, ohne das Barett abzunehmen, vor einem Christus aus schwarzem
Holz, der neben dem Küchenkasten hing. Der Junge beugte sich
ebenfalls; dann, vorausgehend, die mit dem Reinigungstuch
zugedeckten Krüge tragend, trat er heraus aus der Sakristei,
gefolgt von dem Priester, der gesenkten Blickes in tiefer Andacht
schritt.

Kapitel 2
     
    Ganz leer und weiß lag die Kirche an diesem Maimorgen. Unbewegt
hing der Strick wieder neben dem Beichtstuhl. Das ewige Licht im
farbigen Glase glühte als roter Funke rechts vom Allerheiligsten an
der Wand. Vinzenz trug die Kannen nach der
Kredenz, trat dann zurück und kniete an den Stufen links unten
nieder, während der Priester, nach Begrüßung des Allerheiligsten
durch Kniebeugung auf den Fliesen, zum Altar hinaufging und das
Meßtuch ausbreitete, in dessen Mitte er den Kelch stellte. Darauf
schlug er das Meßbuch auf und stieg wieder herunter. Eine weitere
Kniebeugung ließ ihn zusammensinken; er bekreuzte sich, faltete die
Hände vor der Brust und ließ das große Gottesdrama beginnen, mit
liebesblassem, glaubensbleichem Antlitz.
    »
Introibo ad altare Dei.
«
    »
Ad Deum qui lactificat juventutem meam
,« krähte
Vinzenz, der, auf den Hacken sitzend, die Antworten der Einleitung
verschluckte und interessiert das Hin und Her der Teuse in der
Kirche beobachtete.
    Voller Unruhe sah die alte Dienerin nach einer der Kerzen. Ihre
Besorgnis schien sich zu verdoppeln, indessen der Priester, tief
geneigt, mit neuerlich gefalteten Händen
das 
Confiteor
 hersagte. Sie blieb stehen, auch
sie schlug sich die Brust, doch belauerte sie mit gesenktem Kopf
fortwährend die Kerzen. Die tiefe Stimme des Priesters und das
Gestotter des Ministranten lösten sich noch einige Zeit ab.
    »
Dominus vobiscum

    »
Et cum spiritu tuo

    Und der Priester, die Arme ausbreitend, dann die Hände faltend,
begann in gerührter Zerknirschung:
    »
Oremus …
«
    Die Teusin war nicht mehr zu halten. Sie schlich hinter den
Altar, fiel über die Kerze her und putzte sie mit der Spitze ihrer
Schere. Die Kerze tropfte. Schon zwei große Wachstränen waren überflüssigerweise geronnen. Als sie
zurückging und die Bänke zurechtstellte, sich vergewisserte, daß
die Weihwasserbecken nicht leer seien, betete der Priester mit
leiser Stimme oben am Altar, die Hände am Saume des Altartuches
gefaltet. Er küßte den Altar.
    Hinter ihm lag die Kirche in morgendlicher Fahlheit. Die Sonne
reichte erst bis zum Dachfirst. Fröstelnd zog das Kyrieeleison
durch diesen kalkweißen stallartigen Raum, an dessen niederer Decke
die getünchten Balken freilagen. Jederseits drei hohe Fenster mit
klargläsernen, in der Mehrzahl gesprungenen oder herausgefallenen
Scheiben, taten sich auf vor kreidiger Tageshelle. Das grelle Licht
von draußen fiel herb herein und zeigte mitleidslos das ganze Elend
der Gottheit dieses weltverschollenen Dorfes. Im Hintergrund, über
der großen, niemals geöffneten Tür, wo Unkräuter die Schwelle
verstellten, zog sich eine Brettergalerie, zu der man auf einer
Müllerleiter gelangte, von Mauer zu Mauer; sie krachte unter den
schweren Tritten an Feiertagen. Das Beichtgestühl neben der Treppe,
mit klaffender
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