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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret
Autoren: Emile Zola
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geschrien: eines seiner Felder hätte er darum
gegeben, wenn der Kleine drei Tage vor der Hochzeit gestorben
wäre.«
    »Alles ist eben nicht vorauszusehen,« sagte der lange Fortunat
mit schlauem Blinzeln.
    »Was liegt denn daran, wenn der Alte sich ärgert!« fügte Rosalie
hinzu. »Wir sind ja jetzt sowieso verheiratet.«
    Sie lächelten sich über dem kleinen Sarg mit glänzenden Augen
zu. Lisa und die Fuchsige stießen sich mit den Ellbogen an.
    Alle wurden wieder sehr ernst, Fortunat hatte eine Erdscholle
aufgerafft, um Packan zu verjagen, der sich jetzt auf alten Gräbern
herumtrieb.
    »Ach, nun ist es bald so weit,« hauchte sehr leise die
Fuchsige. Vor der Grube kam der Abbé
Mouret mit dem 
De Profundis
 zu Ende. Dann
näherte er sich langsamen Schrittes dem Sarg, richtete sich auf,
betrachtete ihn einen Augenblick, ohne mit der Wimper zu zucken. Er
schien gewachsen, eine ruhige heitere Ruhe verklärte sein
Antlitz.
    Er neigte sich, hob eine Handvoll Erde auf und streute sie in
Kreuzform über den Sarg. Seine Stimme klang so klar, daß auch nicht
eine Silbe verlorenging, als er hersagte:
    »
Revertitus in terram suam unde erat, et spiritus redit ad
Deum qui dedit illum

    Es durchschauerte die Umstehenden, Lisa wurde nachdenklich und
sagte in mißvergnügtem Ton:
    »Spaßig ist das ja wirklich nicht, wenn man bedenkt, daß es
einem genau so geht eines Tages.«
    Bruder Archangias hatte dem Priester den Weihwasserwedel
gereicht.
    Dieser sprengte mehrmals Weihwasser über den Sarg und
murmelte:
    »
Requiesquat in pace

    »
Amen
,« antworteten zu gleicher Zeit Vinzenz und der
Bruder, der eine so hoch, der andere so tief, daß Katharina sich
die Faust auf den Mund drücken mußte, um nicht auszuplatzen.
    »Nein, nein, spaßig ist das nicht,« fuhr Lisa fort. »… Keine
Seele ist bei der Beerdigung dabei. Ständen wir nicht da, der
Friedhof wäre leer.«
    »Man erzählt, sie habe sich umgebracht,« sagte die alte
Brichet.
    »Ja, ich weiß,« fiel ihr die Fuchsige ins Wort. »Der Bruder
wollte nicht, daß man sie bei den Christen begräbt. Aber der Herr Pfarrer hat geantwortet, die
Ewigkeit sei für alle da. Ich war gerade dabei… Wie dem auch sei,
der Philosoph hätte ruhig kommen können.«
    Aber Rosalie brachte sie zum Schweigen, indem sie murmelte:
    »Ach, seht doch, da ist er ja, der Philosoph!«
    Tatsächlich betrat Jeanbernat den Friedhof. Er schritt
geradewegs auf die Gruppe los, die die Grube umstand. Er ging mit
seinem munteren Schritt, der noch so geschmeidig war, daß er kein
Geräusch machte. Als er herangekommen war, blieb er hinter Bruder
Archangias stehen, dessen Genick er einen Augenblick zärtlich
anzublicken schien. Als Abbé Mouret mit den Gebeten fertig wurde,
zog Jeanbernat seelenruhig ein Messer aus seiner Tasche, öffnete es
und schlug mit einem einzigen Hieb dem Bruder das rechte Ohr
ab.
    Niemand hatte Zeit gehabt dazwischenzutreten. Der Bruder brüllte
auf.
    »Das linke kommt ein andermal dran«, sagte Jeanbernat ruhig und
warf das Ohr auf die Erde. Und er ging wieder davon.
    Die Bestürzung war so groß, daß man ihn nicht einmal
verfolgte.
    Bruder Archangias hatte sich auf den Haufen ausgehobener
frischer Erde fallen lassen und preßte sein Taschentuch auf die
Wunde. Einer der vier Träger wollte ihn fortbringen, ihn nach Hause
führen. Aber Bruder Archangias lehnte mit einer Handbewegung ab. In
wildem Trotz blieb er da und wartete, wollte sehen, wie Albine in
das Loch hinabgesenkt wurde.
    »Endlich sind wir dran«, sagte Rosalie mit einem leichten
Seufzer.
    Indessen verweilte Abbé Mouret noch an der Grube, um den Trägern
zuzusehen, die Albines Sarg anseilten, um ihn ohne Erschütterung
hinabgleiten zu lassen. Die Glocke läutete noch immer; doch die
Teuse mußte wohl müde werden, denn die Schläge kamen aus dem Takt
als seien sie ungehalten, daß die
Zeremonie so lange dauerte. Die Sonne wurde heißer, der Schatten
der Einsiedlerin wanderte langsam über die Gräser, unter denen die
Gräber Buckel bildeten. Als Abbé Mouret zurücktreten mußte, um
nicht im Wege zu stehen, fiel sein Blick auf den marmornen
Grabstein des Abbé Caffin, jenes Priesters, der geliebt hatte und
der dort so friedlich unter den wilden Blumen schlief.
    Während der Sarg, gehalten von den Seilen, deren Knoten ihm
knarrende Laute entrissen, hinabglitt, erhob sich auf dem
Wirtschaftshof hinter der Mauer ein Heidenlärm. Die Ziege meckerte.
Die Enten, die Gänse, die Puten klapperten mit dem
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