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Die Stunde der Zaem

Die Stunde der Zaem

Titel: Die Stunde der Zaem
Autoren: Hubert Haensel
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wandelnden Eismonsters.
    »Mach dir warme Gedanken«, riet Scida. Der Sturm riß ihr die Worte von den Lippen und wirbelte sie mit sich.
    »Hä?« machte Gerrek. Er hatte nur die Hälfte verstanden.
    Die Amazone winkte barsch ab.
    Hinter ihnen folgten Lankohr und Heeva. Arm in Arm stolperten die beiden Aasen durch den ihnen mitunter bis zu den Schultern reichenden Schnee.
    Was immer sie erwartete, fliehen konnten sie nicht, weil sie von zehn Kriegerinnen begleitet wurden. Sie kamen nur langsam voran, und je weiter sie sich dem Meer näherten, desto höher türmten sich die Wächten zu beiden Seiten des manchmal kaum zu erkennenden Pfades.
    Zuerst war da nur ein dumpfes Grollen wie aus weiter Ferne, das sich aber schnell zum ohrenbetäubenden Lärm steigerte. Das Schneetreiben riß auf, für kurze Zeit wurde ein wolkenverhangener Himmel sichtbar. Gleichzeitig erbebte der Boden.
    »Was ist das?« kreischte Gerrek entsetzt auf. »Die See wird uns verschlingen.«
    Er war stehengeblieben, doch Scida schob ihn kurzerhand vor sich her.
    »Ein Gletscher kalbt«, brüllte sie ihm ins Ohr. »Kein Grund zur Besorgnis, du tapferer Drache. Das geht schnell vorbei.«
    Tatsächlich fanden die Elemente schon wenig später wieder Ruhe. Was blieb, waren mannshohe Verwehungen, durch die man sich mühsam hindurchkämpfen mußte.
    Irgendwann kam eine endlos scheinende Reihe von Schatten auf sie zu. Die düsteren Gestalten schienen zu schweben.
    »Sagte ich es nicht«, keuchte Gerrek entsetzt. »Die Meergeister entsteigen den Fluten…«
    Flammen züngelten auf, huschten von einem der Schatten zum nächsten. Plötzlich loderte auch vor Gerrek ein kleines Feuer. Eine der Amazonen hatte eine Fackel angesteckt und winkte damit.
    »Da hast du deine Meergeister«, spottete Scida. »Es sind weitere Kriegerinnen, die zu uns stoßen. Sie bewegen sich wahrscheinlich auf einem Grat - deshalb glaubst du, sie schweben.«
    »Ob Zaem sie gesandt hat?«
    »Wer sonst.«
    »Ich möchte wissen, was die Zaubermutter vorhat. Meinst du, sie läßt uns hinrichten?«
    Scida schüttelte den Kopf.
    »Das hätte sie fürwahr einfacher haben können. Nein, Gerrek, uns erwartet etwas anderes.«
    »Hoffentlich nichts Unangenehmes.«
    Scida zog es vor, zu schweigen. Zumindest im Augenblick ließ sich mit dem Beuteldrachen nicht vernünftig reden. Als sie sich umwandte, sah sie Lankohr und Heeva die blaugefrorenen Nasen aneinander reiben.
    Nicht mehr lange, dann lugten vereinzelte Sonnenstrahlen durch die tiefhängende dichte Wolkendecke und huschten zitternd über die weiße, glitzernde Pracht. In der Ferne ragten die Schroffen eines Bergzugs auf.
    Man hatte das äußerste Ende von Zaems Zacke des Hexensterns erreicht. Als Scida sich umsah, zählte sie in ihrer Begleitung fünfzig voll gerüstete Kriegerinnen. Hexe befand sich indes keine unter ihnen.
    Das war es jedoch nicht, was Scidas Aufmerksamkeit fesselte und sie zu einem überraschten Ausruf veranlaßte.
*
    Auf sie wartete ein mächtiges Luftschiff. Gerrek wischte sich über die Augen, als könne er nicht glauben, was er sah. Auch die beiden Aasen lösten sich voneinander. Für sie mußte allein schon die Gondel gigantisch sein.
    Das Flugschiff besaß die Form eines langgestreckten Fisches, dem Rückenfinne und Seitenflossen fehlten. Lediglich eine stark ausgeprägte Schwanzflosse war vorhanden, die wohl zur Steuerung diente.
    Das Maul der mit kräftigen Zahnreihen versehenen Tiergestalt war geöffnet. Daraus ragte ein langer Rammstachel hervor, der gegnerische Ballone mühelos aufschlitzen konnte. Scida entdeckte auf einer Plattform zwischen den Augen des Fisches zudem ein Buggeschütz, eine Riesenarmbrust, die zu bedienen mehrere Amazonen nötig waren. Zugleich mochte dort oben der Ausguck postiert sein.
    Der Ballon maß gut und gerne achtzig Schritt. Heftig zerrte er an den armdicken Tauen, die ihn mit der Gondel und dem Boden verbanden. Irgendwo schabte Holz aufeinander; die Wanten ächzten und stöhnten, und der abflauende Wind rief ein leises Flüstern hervor, wenn er über die Hülle strich.
    Daß der Ballon prall gefüllt war, schien zu bedeuten, daß der Aufbruch unmittelbar bevorstand.
    Wohin würde die Reise gehen?
    Scida hatte keine Ahnung, und sie las in den Gesichtern ihrer Begleiter ebenfalls Ratlosigkeit.
    »Vielleicht wartet auf uns das Ende der Welt«, meinte Heeva. »So ein Riesenschiff habe ich noch nie gesehen.«
    Eine Amazone kam auf die kleine Gruppe zu. Ihre Haltung war
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