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Die Stunde der Zaem

Die Stunde der Zaem

Titel: Die Stunde der Zaem
Autoren: Hubert Haensel
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Zaubermüttern auf ihn übersprangen. Es war wie ein Sog, ein mächtiger Strudel, der ihn mit sich riß…
    Großer Anstrengung bedurfte es, den Kopf zu heben. Auf einmal wollte er die Hermexe nicht mehr sehen.
    Hoch über ihm war Zahdas Gesicht. Es begann ins Riesenhafte zu wachsen.
    Und auch die anderen Zaubermütter… Alles wurde größer, bedrohlicher.
    Du schrumpfst! durchzuckte es Mythor siedendheiß.
    Er wollte schreien, aber kein Ton drang über seine Lippen. Er wollte nach Alton greifen, doch seine Glieder versteinerten.
    Zahdas Atemzug wurde zum Orkan, der ihn mit verheerender Gewalt hinwegfegen konnte. Zwischen Daumen und Zeigefinger hätte Zaem ihn zerquetschen können.
    Plötzlich empfand Mythor Furcht.
    Eine Ameise unter Riesen, mehr war er nicht.
    Der Sturz wurde zum rasenden Wirbel. Alles, was eben noch gewesen, verschwand hinter einer Wand aus wallenden Nebeln. Mythor tauchte mitten hinein.
    Beklemmend legte die neue Umgebung sich auf seinen Brustkorb und raubte ihm den Atem.
    Das Chaos erwartete ihn.
    So vielfältig waren die Sinneseindrücke, die schlagartig von allen Seiten auf ihn einstürzten, daß es ihn fast erdrückte. Er war hilflos.
    Doch eines wußte er mit erschreckender Klarheit:
    Er hatte sein Ziel erreicht!
    Dieses Chaos war die Hermexe.

7.
    Sie wartete - wie lange schon, danach fragte sie nicht.
    Sie wartete darauf, daß endlich etwas geschah. Oder war dies Teil von Zaems Strafe? Wollte die Zaubermutter Unsicherheit säen und Verzweiflung?
    Seit mindestens drei Tagen hatte Burra kaum ein Auge zugemacht. Und wenn sie wirklich vor Erschöpfung einschlief, dann schreckten Alpträume sie schnell wieder auf.
    Trotz allem bereute sie nichts. Zwar hätte sie Zaem niemals so hintergehen dürfen, wie sie es getan hatte, doch Mythor war den Preis wert gewesen, den sie nun bezahlen mußte. Wahrscheinlich würde sie es wieder tun, wenn sich ihr noch jemals die Gelegenheit dazu bot.
    Was mochte inzwischen aus dem Sohn des Kometen geworden sein?
    Burra wußte nicht, ob es Tag war oder Nacht, ob Zaems Amazonen den Hexenstern erobert hatten. Sie hatte nahezu jeglichen Begriff für die Zeit verloren.
    Gudun, Gorma und Tertish, die ihr Schicksal teilten, schliefen. Ihre gleichmäßigen, tiefen Atemzüge waren das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach.
    Hoch aufgerichtet stand die Amazone da, stolz und unbeugsam in ihrer Haltung. Bereit, Sühne zu tun, harrte sie des Augenblicks, da Zaem in ihrer Abgeschiedenheit erschien.
    Die beiden Schwerter Dämon und Mythor hatte die Zaubermutter ihr gelassen. Gedankenverloren zog Burra das Herzschwert und ließ es durch ihre Finger gleiten.
    Plötzlich erschrak sie. Ihr war, als hätte ein kühler Hauch ihren Nacken gestreift.
    Die Klinge in der Rechten und bereit zuzuschlagen, wirbelte sie herum.
    »Du wagst es, so vor mich hinzutreten!«
    Eine Vision der Zaem…
    Burra ließ die Klinge in die Scheide zurückgleiten. Ihre Haltung veränderte sich jedoch nur unmerklich.
    »Ich höre, meine Mutter«, sagte sie leise. »Verfüge über deine Dienerin.« Aus den Augenwinkeln heraus nahm sie wahr, daß ihre drei Begleiterinnen aufschreckten.
    Wieder sprach Zaem mit unheilvoller Stimme:
    »Du wirst Gelegenheit bekommen, deinen Verrat im Buch der Geschichte ungeschehen zu machen. Begib dich zur Spitze meiner Zacke, dort wo das Meer sich über eisige Felsen ergießt.«
    »Was…?« begann Burra, wurde aber schroff unterbrochen.
    »An Ort und Stelle wirst du erfahren, was geschehen soll. Und ihr anderen werdet mit ihr gehen - auch du Tertish, die du dem Tode geweiht bist.«
    In wehenden Schleiern verging das Abbild der Zaem. Gleichzeitig fielen die Wände des Verlieses. Burra erkannte, daß sie im Rotkreis des Regenbogendoms gefangen gewesen war.
*
    Es war ein unwirtliches Land. Heftige Winde brachten Eis und Schnee mit sich, und die Kälte durchdrang selbst die dickste Kleidung. Mitunter reichte die Sicht kaum wenige Schritte weit. Alles war von einem eintönigen, düsteren Grau, in dem es keine Farben gab. Aus der Ferne erklang das Rauschen der Brandung.
    Vermummte Gestalten kämpften sich durch das Schneetreiben. Sie gingen gebückt, um dem Sturm möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Und sie mußten schreien, um sich gegenseitig verständlich zu machen.
    »Ich erfriere.« Gerrek hatte die Arme vor seinem Brustkorb verschränkt und den Kopf tief zwischen die Schultern gezogen. Der Schnee hielt sich auf seiner Drachenhaut und verlieh ihm das Aussehen eines
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