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Die Stimme des Feuers

Titel: Die Stimme des Feuers
Autoren: Catherine Coulter
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scharfen Zunge seiner ständig nörgelnden Mutter erlöst.
    Bald ritt er auf seinem Zelter in den Burghof ein. Kassia erwartete ihn. Er hatte sie seit fast sechs Monaten nicht gesehen. Überrascht und mit einem zufriedenen Gefühl betrachtete er die weichen Kurven ihrer Brüste, die jetzt fraulich gerundet waren, und bewunderte ihr prächtiges, kastanienbraunes Haar. Nur ihre Augen mochte er nicht, ihre großen, haselnußbraunen Augen mit den dichten, dunklen Wimpern. Sie sahen ihm immer zu scharf ins Gesicht, ja, bis ins Herz. Für eine Frau war sie zu geradeaus. Sein verfluchter Onkel hatte sie verwöhnt, statt sie zurechtzustutzen. Dennoch fiel es Geoffrey nicht schwer, sie freundlich anzulächeln. Er besuchte ja sein zukünftiges Reich und seine zukünftige Frau.
    Er stieg ab, trat auf sie zu und sagte: »Kassia, du bist in den letzten Monaten noch schöner geworden.«
    Kassia ging auf seinen schmeichelnden Ton nicht ein. »Geoffrey«, sagte sie, »mein Vater ist noch nicht aus Aquitanien zurück.«
    »Ach, es ist ja auch nicht dein Vater, der mich hergelockt hat, sondern der schöne Tag und du, meine Kusine. Darf ich eine Stunde bei dir verweilen? Leider muß ich gegen Abend wieder in Beaumanoir sein.«
    Kassia nickte, raffte die Röcke und führte ihn über die gewundene Treppe in den großen Saal. »Deiner Mutter geht es hoffentlich gut«, sagte sie.
    Geoffrey lachte. »Meine Mutter erfreut sich immer bester Gesundheit. Wenn ich da bin, ist sie stets in besonders guter Form und läßt ihre Launen an mir aus.«
    »Nun«, sagte Kassia, »dich behandelt sie wenigstens besser als mich. Stell dir vor, sie hat zu Vater gesagt, ich wäre zu jung, um Belleterre in Ordnung zu halten!«
    Geoffrey entspannte sich. Ihr Lachen war so offen und ehrlich, und ihre Augen blitzten überaus verführerisch. Eines Tages würde sie sein werden, ob sie wollte oder nicht. Allerdings wäre es ihm lieber, wenn sie ihn wollte und ihn anerkannte. Der Gedanke, eine Lady mit Gewalt zu nehmen, war ihm ekelhaft. Sie wies ihm einen Stuhl an, und wieder bemerkte er mit Vergnügen die weich gerundeten Brüste.
    »Gewachsen bist du aber nicht«, sagte er.
    »Nein. Es ist wohl mein Schicksal, daß ich immer einen Kopf kleiner als mein Vater sein werde. Möchtest du Bier haben, Geoffrey?«
    Er nickte und fühlte sich schon wie zu Hause. Er sah Kassia zu, wie sie mit angenehm weicher Stimme einer Bedienerin Anweisungen gab. »Kassia ist wie ihre Mutter, Lady Anne«, pflegte seine Mutter gelegentlich herabsetzend zu sagen. »Weich, kein Rückgrat und kein Esprit.« Aber da hat sie unrecht, dachte Geoffrey. Sie wirkte nur weich, weil ihr Vater sie mit unwandelbarer Zuneigung behandelte. Vermutlich hatte sie in ihrem ganzen Leben noch kein grobes Wort vernommen. Außer natürlich von ihrer Mutter. Aber sie hatte Esprit, für ein Mädchen vielleicht sogar zu viel.
    Sein Blick wanderte zu ihren Hüften. Wie schlank sie war! Er fragte sich, ob sie ihm Söhne gebären oder im Kindbett sterben würde wie ihre Mütter. Seine Mutter hatte ihm gesagt, daß Kassia eine Spätentwicklerin sei. Mit Unwillen erinnerte er sich, wie sie sich in groben Worten darüber mokiert hatte, daß bei Kassia erst im fünfzehnten Lebensjahr zum erstenmal die monatliche Blutung eingesetzt habe.
    Kassia reichte ihm einen Humpen Bier, ein Stück Käse und frischgebackenes Brot. »Thomas wird deinen Männern Erfrischungen geben.« Dann sah sie ihm voll ins Gesicht. »Weshalb bist du hergekommen, Geoffrey?«
    Er brach ein Stück Brot ab. »Um dich zu besuchen, Kusine.«
    »Mein Vater sieht das nicht gem.«
    »Ich habe ihm nie etwas Böses getan. Außerdem ist er mein Onkel, und ich bin sein Erbe.«
    »Nein, Geoffrey«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich bin seine Erbin.«
    Geoffrey zuckte die Achseln. »Sagen wir, dein Gatte wird sein Erbe sein.«
    Das ärgerte sie. »Nur schade«, sagte sie, »daß mein Bruder nicht am Leben geblieben ist. Wenn er da wäre, würde kein Mann es wagen, Belleterre und mich als eins anzusehen.«
    »Du denkst zu gering von dir, Kusine. Glaube mir, ich weiß dich auch so zu schätzen.«
    Bei seinen Worten überfiel sie auf einmal Furcht, und sie bekam eine Gänsehaut. Geoffrey war so glatt wie Öl. Aber heute war ihr klar, was er meinte. Er war acht Jahre älter als sie, und sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie er als Knabe gewesen war: hoch aufgeschossen, streitsüchtig und gemein. Besonders zu ihrem Bruder Jean. Ihr Vater machte Geoffrey dafür
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