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Die Stimme des Feuers

Titel: Die Stimme des Feuers
Autoren: Catherine Coulter
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verantwortlich, daß ihr Bruder ertrunken war, und deshalb glaubte Kassia auch daran. Maurice hatte Geoffrey fünf Jahre lang verboten, nach Belleterre zu kommen. Es waren friedliche Jahre gewesen. Erst unter den erbarmungslosen Vorwürfen seiner Schwester hatte Maurice das Verbot aufgehoben. Doch immer, wenn Geoffrey nach Belleterre kam, sprach ihr Vater von Natternbrut und schlechtem Blut.
    »Ja«, sagte Kassia freundlich. »Eines Tages werde ich wohl heiraten. Aber natürlich wird mein Vater mir einen Gatten wählen.«
    »Oder vielleicht der Herzog der Bretagne.«
    »Das wäre nur möglich, wenn mein Vater tot wäre.«
    »Wir leben in unsicheren Zeiten«, sagte Geoffrey glattzüngig. »Erst letzte Woche bekam einer meiner Männer, ein kräftiger junger Bursche, Fieber und starb daran innerhalb einer Woche. Ja, das Leben ist sehr unsicher.«
    »Glaubst du nicht, daß Gott seine Hand über gute Menschen hält?« fragte Kassia.
    »Du sprichst wie ein kleines Kind, Kassia. Gott kümmert sich wenig um die Menschen. Aber genug mit diesen düsteren Reden! Erzähle mir lieber, wie du dir die Zeit vertreibst, wenn dein Vater nicht da ist!«
    Sie erzählte ihm von ihrem Kräutergarten, von den heilenden Eigenschaften gewisser Stoffe, über die sie von ihrer Zofe Etta gehört hatte, und dem Bau eines neuen Küchenhauses für ihren temperamentvollen Koch Raymond. Geoffrey wäre auf seinem Stuhl fast eingeschlummert.
    »Wenn Vater mit dem Wein zurückkommt«, schloß sie, »dann werden wir bestimmt so betrunken sein wie hundert arme Ritter.«
    Sie bemerkte nicht den durchdringenden Blick, den Geoffrey auf sie abschoß. »Schade, daß ich bei diesem Fest nicht dabei sein kann«, sagte er knapp.
    »Ja, nicht wahr? O weh, die Stunde ist wie im Fluge vergangen! Ich glaube, du mußt dich jetzt auf den Weg machen.«
    Geoffrey fand keinen Vorwand, noch länger zu bleiben und erhob sich. Als er ihr in das schöne Gesicht sah, fiel ihm ein, daß sie ihm vor nur zwei Jahren noch so häßlich und unappetitlich wie eine Klostersuppe vorgekommen war.
    »Du wirst einen Boten nach Beaumanoir schicken, wenn du mich zu sehen wünschst?«
    Kassia hielt das für höchst unwahrscheinlich, antwortete aber beiläufig: »Sicherlich, Geoffrey. Ich wünsche dir einen guten Heimweg.«
    Sie sah ihm nach, bis er und seine Männer nur noch kleine Punkte in der Landschaft waren.
    Dann aß sie mit Thomas zu Abend und ging zu Bett. An ihren Schläfen pochten beginnende Kopfschmerzen.
    Am nächsten Morgen fühlte sich Kassia seltsam schwach. Aber sie beachtete es nicht und wollte wie gewohnt mit Bluebell ausreiten. Die Morgensonne verbreitete Wärme, aber ihr war kalt, und ihr Hals kratzte. »Sei nicht albern, Kassia!« sagte sie zu sich. Sie konnte an den Fingern einer Hand abzählen, wie viele Tage sie in ihrem Leben krank gewesen war. Thomas wollte ihr in den Sattel helfen. Es gelang ihr nicht, die Zügel zu ergreifen. Mit einem leisen Aufschrei fiel sie ohnmächtig in seine Arme.

3
    Maurice fluchte laut und anhaltend. Ein Wagen war im tiefen Schlamm steckengeblieben. Und der Regen strömte unablässig in dichten, kalten Güssen auf sie herab. Sie fuhren um die Noires-Berge, in denen der Regen den schmalen, gewundenen Weg in einen Sumpf verwandelt hatte.
    Müde und bis auf die Haut durchnäßt stieg Graelam vom Pferd und stemmte sich kraftvoll gegen das Hinterrad. Er wünschte, er wäre schon zu Hause. Der dicke Schlamm gab einen schmatzenden Laut von sich, und noch einmal schob Graelam zusammen mit den anderen. Als das Rad freikam, sprang der Wagen heftig hoch, und drei Fässer Wein rollten auf den Boden.
    Sie luden die Fässer wieder auf. »Heute abend, bei Gott«, sagte Maurice, »werden wir uns endlich trocknen können. Wir sind jetzt in der Nähe von Beaumanoir. Ich habe die Absicht, nicht auf meine mißgünstige Schwester zu hören, sondern mir einen Rausch anzusaufen! Und Ihr, Mylord, werdet mein Gast sein!«
    »Wo ist die Behausung Eurer Schwester?« fragte Graelam.
    »In der Nähe von Huelgoat. Ich hoffe nur, daß der verdammte See nicht über die Ufer getreten ist und das Land überschwemmt hat.«
    Graelam brummte nur. In den letzten drei Tagen hatte er Maurice de Lorris gut kennengelernt und viel über die langandauernde Abneigung zwischen ihm und seinem Neffen sowie seiner Schwester, Lady Felice de Lacy, gehört. »Sie besaß die Frechheit, die Haushaltskünste meiner Kassia anzuzweifeln«, hatte Maurice ihm erzählt. »Meiner Kassia, die
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