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Die Stimme des Feuers

Titel: Die Stimme des Feuers
Autoren: Catherine Coulter
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traurigen Ende unseres Königs. Der arme Louis starb wie ein Stück Unrat in diesem gottverlassenen Land. Lebt Euer tapferer Prinz Edward noch?«
    »Ja. Aber nun schont Euch! Ihr dürft erst wieder reden, wenn Ihr Euch erholt habt, Mylord.«
    Dankbar lehnte sich Maurice an Graelams breite Brust. Der half ihm, sich unter einer Eiche niederzulassen. Dann stand Graelam auf und besah sich den Schaden, den die Räuber angerichtet hatten. Er zog den Kettenpanzer auf und fuhr sich dann mit den Händen durch das verfilzte schwarze Haar seines Kopfes.
    Sonderbar, daß keiner der Wagen angetastet worden ist, dachte Graelam. Er rief sich den Kampf noch einmal ins Gedächtnis zurück. Nicht weniger als sechs Männer hatten sich auf Maurice de Lorris gestürzt. Offenbar waren sie gar nicht auf Beute aus gewesen, sonst... Er setzte seine Untersuchung fort. Drei Männer von Lord Maurice waren erschlagen und zwei verwundet worden. Er ging zu Maurice zurück, dessen Arm jetzt in einer Schlinge lag.
    Maurice betrachtete den dunkelhaarigen, kräftigen Mann, der ihm das Leben gerettet hatte. Mochte er auch ein Engländer sein, so war er doch ein prachtvoller Mann und ein erbitterter Kämpfer. Und, dachte Maurice, er ist jung und gesund. Mit der breiten Brust wirkte er hart und kräftig wie eine Eiche. Ein befehlsgewohnter Mann. Ein Mann, dem man vertrauen konnte. »Ich ahne, was Ihr denkt, Mylord«, sagte er. »Denn ich kam auf den gleichen Gedanken. Es gibt genügend Diebe auf der Welt, aber es ist ungewöhnlich, von einer so großen Bande überfallen zu werden. Aquitanien ist ein gut regiertes Land, und ich kann mir nicht vorstellen, daß so zahlreiche Räuber mich nur wegen drei Wagen voll Wein überfallen sollten.«
    »Ihr habt Feinde«, stellte Graelam sachlich fest.
    »So sieht es aus. Aber welcher Mann hat keine Feinde?«
    »Euer Feind ist zudem so feige, daß er andere gegen Euch vorschickt.«
    »So sieht es aus. Beweisen kann ich es nicht, aber ich kenne nur einen, der sich solche Mühe geben würde, um mich vom Angesicht dieser Erde zu entfernen.«
    Die Erregung des Gefechts war verebbt, und Graelam fühlte sich plötzlich müde. Mehr von den langen Wochen des Trecks von Sizilien her als vom Schwerterschwingen.
    »Mir fällt gerade ein«, sagte Maurice, »Euer Prinz Edward ist jetzt König geworden. Kehrt er zurück, um seine Krone zu fordern?«
    »Nein. Das ist nicht vonnöten. In England herrscht Frieden, und sein Onkel, der Herzog von Cornwall, wird Edwards Rechte wahrnehmen.«
    »Aber aus Euren Worten, Graelam de Moreton, höre ich heraus, daß es Euch nach der Heimat zurückzieht.«
    »Ja. Ich habe lange genug gegen die Heiden im Heiligen Land gekämpft. Ich habe genug von dem Blutvergießen, den Krankheiten und Enttäuschungen. Edward hat einen Vertrag mit den Sarazenen geschlossen, der wenigstens für einige Zeit den Christen Sicherheit verbürgt.«
    »Wir sind nur drei Tagesreisen von meiner Burg entfernt, Lord Graelam«, sagte Maurice. »Wollt Ihr mich nach Belleterre begleiten?«
    »Mit dem größten Vergnügen«, sagte Graelam.
    »Gut«, sagte Maurice und dachte wieder an Kassia. In diesen drei Tagen würde er Gelegenheit haben, den Engländer zu beobachten, ob er ein würdiger Ehemann für seine einzige Tochter werden könnte. Er vermied Graelams Blick, als er eine für ihn wichtige Frage nachholte. »Ihr habt sicherlich Angehörige, die Euch schon sehnlich erwarten?«
    »Nein. Aber meine Burg Wolffeton zerfällt wahrscheinlich schon. Ein Jahr in der Fremde ist eine lange Zeit.«
    »Ah«, sagte Maurice, lehnte sich an den Stamm der Eiche und schloß die Augen.

2
    Kassia ließ den mit Hermelin gefütterten Mantel von den Schultern gleiten und legte ihn vor sich über den Sattel. Er ist viel zu schön, um getragen zu werden, dachte sie lächelnd. Sie konnte sich noch gut an die verschmitzte Miene ihres Vaters erinnern, als er ihr den Mantel zu ihrem letzten Geburtstag geschenkt hatte. Hinter vorgehaltener Hand hatte ihre Zofe Etta geflüstert, daß der Herr sein Kind zu sehr verwöhne. Aber Maurice hatte nur gelacht.
    Es war ein schöner Frühlingstag. Am Himmel hingen schaumige weiße Wölkchen, und die Luft war klar, rein und warm. Sie schaute nach Belleterre zurück. Ihre Augen funkelten vor Stolz beim Anblick der vier runden Türme, die zu stattlicher Höhe emporragten und als zuverlässige Wächter das umliegende Land beschützten. Dicke graue Steinmauern, in hundert Jahren mit lässiger Würde verwittert,
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