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Die Stimme des Feuers

Titel: Die Stimme des Feuers
Autoren: Catherine Coulter
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verbanden die hohen Türme und bildeten ein großes Rechteck auf dem felsigen Hügel. Belleterre war ihre Heimat. Es war aber auch eine strategisch günstig gelegene Festung, die den Fluß Morlaix beherrschte. Kein feindliches Schiff konnte von See her den Fluß hinaufsegeln, ohne daß die Krieger von Belleterre es merkten. Und auch landeinwärts konnte kein Feind ihren Späheraugen entgehen -und wenn er sich noch so vorsichtig heranschlich. Denn die Burg beherrschte den höchsten Hügel der Gegend.
    Kassia blickte über die blühende Stadt Morlaix hinweg zum Meer. Sie erinnerte sich der Geschichten, die ihr Vater ihr über die gewalttätige Vergangenheit erzählt hatte, als starke Heere um den Besitz der Bretagne gekämpft hatten. Belleterre war nie eingenommen worden. Denn selbst die stärksten Kriegsgeräte waren bei dem Versuch gescheitert, so nahe heranzukommen, daß sie die Burg mit ihren flammensprühenden Feuerkugeln in Brand schießen konnten.
    Kassia war eine ebenso gute Haushälterin wie ihre Großmutter es gewesen war. Sie sorgte dafür, daß die Scheunen stets mit Weizen und Viehfutter gefüllt waren, das Fleisch geräuchert war und immer genügend Mehl und Salz gekauft wurde, um selbst den Streitkräften des Königs von Frankreich standhalten zu können.
    »Mylady«, sagte Thomas, einer der Knappen ihres Vaters, und zeigte nach Osten, »dort nähern sich Männer. Wir sollten nach Belleterre zurückkehren.«
    Sie erinnerte sich des Versprechens an ihren Vater und nickte. Dann wendete sie Bluebell und ritt in leichtem Galopp auf Belleterre zu. Sie war froh darüber, daß ihr Vater in einer Woche zurück sein würde. Wieder daheim mit so viel Wein aus Aquitanien, daß er zehn Jahre lang reichen würde! Kassia lächelte in froher Erwartung.
    Der Torhüter Pierre öffnete das Fallgitter, und ihr kleiner Trupp ritt in den Burghof ein. Wie immer, wenn Kassia die sauberen Scheunen und das gefegte Kopfsteinpflaster des Hofes überblickte, hatte sie das Gefühl der Befriedigung. In ihrem Reich gab es keinen Schmutz, nicht die geringste Unsauberkeit, und alle, die hier lebten, waren gutgenährt und trugen feste Wollkleidung. An dem großen Ziehbrunnen spielte eine Gruppe von Kindern, und Kassia winkte ihnen fröhlich zu. Sie kannte jedes beim Namen. »Wir leben in einem Kaninchenbau«, pflegte ihr Vater sich lächelnd zu beklagen. »Manchmal kann ich nicht einmal meine Eingeweide entleeren, ohne daß jemand zuguckt.«
    »Thomas«, sagte sie, »laß Pierre das Tor schließen, solange wir nicht wissen, wer unsere Besucher sind!«
    »Ja, Mylady«, sagte Thomas. Er war in Kassias Alter. Sein Vater besaß nach Osten hin ansehnliche Ländereien. Doch zu seiner Betrübnis wußte er, daß sie in ihm nur einen brüderlichen Freund sah. Er drehte sich um und gab Pierre die Anweisungen. Wie gut, dachte er dabei, daß ich in einem Jahr die Rittersporen erworben habe. Denn er würde es kaum ertragen, mitanzusehen, wie ihr Vater sie einem anderen Mann zur Frau geben würde.
    »Verdammter Hurensohn!« sagte Pierre verächtlich, als er das Dutzend Reiter beobachtete, die sich Belleterre näherten. »Es ist dieser elende Geoffrey de Lacy. Ich erkenne seine Fahne. Er sollte lieber ein Wiesel darin führen und keinen stolzen Adler. Wie gern würde ich diesem Lausekerl sagen, er solle sich von Belleterre und Mylady fernhalten!«
    »Ich werde mal hören, was Kassia wünscht«, sagte Thomas.
    Kassia hatte ihr Gespräch aber mitangehört und rief, sie sollten das Tor öffnen. Geoffrey war ihr Vetter, der Sohn von Vaters Schwester Felice. Offenbar hatte seine lautmäulige, höchst unangenehme Mutter ihn diesmal nicht begleitet. Dank sei dem Himmel für diese kleine Gunst, dachte sie. Sie sah, wie Geoffrey seinem kleinen Trupp am Fuß des Hügels Halt gebot. Er war wie üblich vornehm in dunkelblauen Samt gekleidet, und sie konnte sich gut vorstellen, wie er jetzt aus seinen hellblauen Augen den Wert von Belleterre abschätzte. Sie hätte ihm gern den Zutritt verwehrt. Aber das konnte sie natürlich nicht tun.
    »Kassia, ich bin's, Geoffrey!« rief er hinauf. »Darf ich bei euch Rast machen?« Ah, sie ließ sich nicht einmal dazu herab, ihm zu antworten! Hochmütige kleine Hexe! Aber eines Tages würden sie verheiratet sein, und dann würde er ihr Manieren beibringen. Sein Blick wanderte verlangend über jeden Zoll der Burg Belleterre. Bald würde sie ihm gehören. Dann wäre er der Herr von Belleterre und endlich von der teuflisch
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