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Waechter der Unterwelt - Schluessel der Ewigkeit

Waechter der Unterwelt - Schluessel der Ewigkeit

Titel: Waechter der Unterwelt - Schluessel der Ewigkeit
Autoren: Sandra Todorovic
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Blaue Augen
    Dante
     
    Im Schatten der Nacht saß ich in diesem mir immer vertrauter werdenden Zimmer. Meine neue Zuflucht, wenn die Kälte des Todes mich einhüllte. Dieses zerbrechliche Geschöpf, von dem ich nicht loskam, strahlte den Frieden aus, nach dem ich mich seit Jahrzehnten sehnte. Es war beruhigend in der Nähe dieses Mädchens zu sein, obwohl ich bis jetzt kein Wort mit ihr gesprochen hatte. Ich wachte über sie, wie ich es einst über die verlorenen Seelen getan hatte. Doch von dem einstigen Wächter war nicht mehr viel übrig.
    Sie atmete schwer und wälzte sich hin und her. Ich wünschte ich könnte in ihren Träumen lesen, was sie so sehr beschäftigte.
    Ich beobachtete sie schon seit einer Weile. Und sie war anders, als die anderen. Ihre Seele war rein, das konnte ich spüren. Es reichte mir nicht mehr nur ein Geist zu sein, den sie glaubte zu fühlen. Ich wollte mehr über sie erfahren. Es war wie ein Zwang, dem ich nachgeben musste.
     
    Sara
     
    Nach Luft schnappend wachte ich auf, so wie in der letzten Woche fast jede Nacht. Mein Herz klopfte wie wild. Ich setzte mich und sah in die Dunkelheit des Zimmers. Kein Geräusch war zu hören. Eine Stille, die mich frieren ließ. Mein Verlangen, etwas in den leeren Raum zu sagen, wurde von Nacht zu Nacht größer. Nichts deutete darauf hin, dass ich nicht allein war. Dennoch wusste ich, er war da. Es war dasselbe Gefühl, wie die letzten Male.
    „Ich weiß, dass du da bist“, sagte ich leise mit dem Wissen, dass es verrückt war zu denken, dass sich noch jemand in meinem Schlafzimmer befand. Ich wünschte, ich hätte einen Beweis, dass ich nicht den Verstand verloren habe.
    Jedes Jahr, kurz vor Moms Todestag, schlief ich schlecht. Dieses Jahr war es schlimmer, als die letzten zwei. Seit über einer Woche hatte ich nicht eine Nacht durchgeschlafen. Ich hatte meinem Vater nie davon erzählt, weil er sich Sorgen machen und mich zu einem Psychologen schicken würde. Aber ich brauchte niemanden, der mir sagte, dass sie mir fehlte. Das wusste ich selbst.
    Ich sah auf die Uhr. Es war noch mitten in der Nacht. Ich drehte mich auf den Bauch und versuchte wieder einzuschlafen, wenn auch nicht für lange. Um sieben würde der Wecker läuten und mich aus dem Schlaf holen.
    Plötzlich zog mir jemand die Decke vom Körper. Ich rollte mich reflexartig zusammen wie eine Schnecke. Ich wollte nicht aufstehen. Es konnte noch nicht Morgen sein.
    „Ich will noch nicht aufstehen. Kannst du mich nicht schlafen lassen, Dad?“, fragte ich noch schlaftrunken und drückte mein Gesicht ins Kissen.
    Ich hörte ein Kichern. Das konnte nicht mein Dad sein, wann würde der schon kichern? Ich war froh, wenn er überhaupt lächelte. Ich hatte ihn seit Jahren nicht mehr wirklich lachen gehört.
    „Dein Dad würde dich noch weniger weiterschlafen lassen, als ich“, sagte sie und zog die Vorhänge auf. „Na komm schon, steh’ endlich auf. Wie kann man nur so ein Morgenmuffel sein?“
    Fragte Keira mich das ernsthaft? Nach so vielen Jahren der Freundschaft sollte sie sich daran gewöhnt haben. Ich nahm das Kissen unter meinem Kopf und warf es nach ihr. Leider verfehlte es sie, wenn auch knapp.
    „Wenn du nicht meine beste Freundin wärst, würde ich dich aus der Wohnung werfen.“
    Sie lachte los. „Ach ja, als ob du dürrer Haken imstande wärst, mich rauszuwerfen“, sagte sie spöttisch.
    „Na warte.“ Ich sprang aus dem Bett, wohl etwas zu schnell, denn ich musste mich kurz abstützen, um nicht der Länge nach hinzufallen.
    Sie sah mich mit ihren großen Rehaugen an und strahlte übers ganze Gesicht. „Siehst du, ich weiß, wie man dich rausholt.“
    Sie sah wieder einmal umwerfend aus. Sie trug ein schwarzes Kleid mit roten Strumpfhosen. Ihre schulterlangen schwarzen Locken wippten, als sie sich umdrehte und mir meine Jeans zuwarf, die auf meinem schwarzen Ledersessel lag.
    „Los, Sara, zieh dich an. Wenn wir wieder zu spät kommen, lässt uns dein Dad nachsitzen.“
    „Ich geh nur kurz ins Bad. Warte unten in der Küche. Mit leerem Magen kann ich nicht los.“
    „Beeil dich!“, ermahnte sie mich noch einmal.
    Ich ging kurz ins Bad und erledigte das Nötigste: wusch mir das Gesicht, putzte die Zähne und schüttelte die Haare kurz durch. Auch wenn sie kerzengerade waren, konnte ich nicht über Volumen klagen. Aus dem Schrank schnappte ich mir einen hellblauen Pullover und einen Mantel. Als ich den schwarzen Kaschmirschal, den mir Großmutter zu Weihnachten geschenkt
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