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Waechter der Unterwelt - Schluessel der Ewigkeit

Waechter der Unterwelt - Schluessel der Ewigkeit

Titel: Waechter der Unterwelt - Schluessel der Ewigkeit
Autoren: Sandra Todorovic
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der Vertrautheit umgab ihn. Wieso schlug mein Herz bloß so laut? Er machte keine Anstalten, den Blick von mir zu wenden und mich aus meiner peinlichen Situation zu erlösen. Ich schaffte es, meine Augen zu schließen, um wieder klar denken zu können — um überhaupt denken zu können.
    „Tut mir leid … ich wollte … nicht … “, stammelte ich zusammenhanglos.
    Als ich das Gefühl hatte, wieder klar bei Verstand zu sein, suchte ich seinen Blick, und als ich das leicht amüsierte Lächeln auf seinen Lippen sah, das so anziehend wirkte, als würde es nach mir rufen, ließ ich dabei fast meine Geige fallen.
    „Hat es dir gefallen?“, fragte er mit einer sanften, klangvollen Stimme und wandte sich in meine Richtung.
    „Ja … es war, wie soll ich sagen, unbeschreiblich“, antwortete ich ehrlich.
    Er lächelte leicht und sah zu Boden.
    Hör auf ihn anzustarren. Hör endlich auf ihn anzustarren, dachte ich.
    „Es freut mich, dass es dir gefallen hat.“ Sein Blick war noch intensiver als vorhin.
    Hastig zog mich Keira am Arm. „Hallooo … !“, rief sie. „Sara, wenn du vorhast, rechtzeitig zum Unterricht zu kommen, sollten wir los.“ Sie zog mich erneut am Arm. „Na, komm schon. Du kannst ihm ja morgen wieder zuhören.“
    „Machs gut, Sara“, verabschiedete sich der unbekannte Junge.
    „Ähm … ja, du auch“, murmelte ich.
    Ich hatte mich innerhalb von fünf Minuten zum kompletten Vollidioten gemacht. Wer war er? Ich hatte ihn noch nie an der Kennedy gesehen.
    „Was ist denn mit dir los gewesen, Sara?“, fragte mich Keira.
    Wir liefen schnell, um noch rechtzeitig in der Stunde zu sein. Mein Vater duldete keine Verspätungen.
    „Oh Gott, Keira, ich hab mich gerade bis auf die Knochen blamiert“, sagte ich und hielt mir die Hand an die Stirn.
    Sie lachte. „Was hast du ihm denn gesagt, das so peinlich war?“
    „Keine Ahnung mehr, was ich gesagt habe. Ich hab nur irgendwas zusammengestottert. Ist er neu an der Schule? Kennst du ihn? Wie heißt er?“, überschüttete ich sie mit Fragen. „Bitte sag mir nicht, dass es ein neuer Lehrer ist.“
    Keira lachte. „Nein. Er ist wahrscheinlich der Neue, von dem ich gehört habe. Dante oder so. Also bis später.“ Sie winkte mir zu, als sie durch die Tür im Klassenzimmer verschwand.
     
    Die nächsten zwei Stunden hatte ich Musikunterricht. Durch die Musik konnte ich mich schon immer von allem befreien, was um mich herum geschah. Meistens vergaß ich sogar, dass ich nicht allein war. Das war auch so, als Mom vor drei Jahren starb. Da spielte ich Tag und Nacht, um meine Gedanken nicht zu hören, um die Realität nicht wahrnehmen zu müssen. Dad wusste nicht, was er machen sollte. Er war völlig hilflos. Er hatte seine Frau verloren, mit der er seit siebzehn Jahren verheiratet war. Jetzt hatte er nur noch mich, einen Teenager, der anscheinend durchdrehte. Er sah keine andere Möglichkeit, als meine Großmutter zu bitten, bei uns einzuziehen. Das war die beste Entscheidung, die er hätte treffen können. Wenn sie nicht gekommen wäre, wäre ich beim Psychiater gelandet.
    Großmutter Mary konnte mich schon immer zum Lachen bringen. Sie hatte so viele Geschichten zu erzählen. Bei einem verstorbenen Ehemann, einer gescheiterten Ehen und den vielen Liebschaften, die sie danach hatte, war es auch kein Wunder. Sie spielte früher am Broadway. Dad hatte ihr verboten, mir von ihren Eskapaden, wie er es nannte, zu erzählen. Aber sie hielt sich nicht daran. Großmutter tat nie, was man ihr sagte. Erst recht nicht, wenn es ein Mann tat. Deshalb war ihre zweite Ehe auch gescheitert. Der Einzige, der wusste, wie man mit ihr umging, war Dads Vater, mein verstorbener Großvater Josef. Keiner konnte ihr so die Stirn bieten. „Es gibt nur einmal im Leben die Liebe, für die man alles aufgeben würde“, hatte sie mir einst gesagt. Josef war ihre gewesen. Sein Bild stand immer noch auf ihrem Nachttisch. Ich denke, sie wird nie aufhören, ihn zu lieben. Leider hatte ich ihn nie kennengelernt. Er starb, als Dad zwölf war. Mein Vater und ich hatten fast im selben Alter ein Elternteil verloren. Wir liebten die Musik, waren stur und eigensinnig, hatten dieselben Ticks, wie das nervöse Zucken des rechten Beines, wenn wir aufgeregt waren. Ich war ihm auf so viele Arten ähnlich, auch wenn ich mich schwer tat, es zuzugeben. Trotzdem fiel es uns nicht leicht, einen Draht zueinanderzufinden. Gespräche über Gefühle gab es bei uns nicht. Alles hatte sich geändert, seit Mom
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