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Die Stadt unter dem Eis

Die Stadt unter dem Eis

Titel: Die Stadt unter dem Eis
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und Serena und Juan stürzten herein. »Was
ist passiert?«, keuchten beide wie mit einer Stimme.
»Jemand schießt auf uns«, antwortete Ben. »Offenbar sind wir
in der Gegend hier nicht sehr beliebt.«
»Jemand schießt auf uns?«, wiederholte Juan ungläubig.
»Wer?«, fragte Serena.
Trautman machte eine rasche Handbewegung. »Jetzt nicht«,
sagte er. »Wir müssen möglichst schnell von hier weg. Singh –
Kurs Nordnordwest. Volle Kraft voraus!«
Sie brauchten vier Stunden, um die hundertfünfzig Seemeilen
zurückzulegen, die Trautman als Sicherheitsabstand zu dem
deutschen Kreuzer als nötig erachtete – ein Bruchteil der Zeit,
die ihr Verfolger für dieselbe Strecke brauchen würde. Mike
verbrachte fast die gesamte Zeit in seiner Kabine und
irgendwann schlief er sogar ein.
Als er erwachte, lag ein pelziges Gewicht auf seiner Brust und
das Erste, was er sah, war Astaroths einziges gelb glühendes
Auge, das ihn aus wenigen Zentimetern Abstand anstarrte.
»Was soll das?«, murmelte Mike schlaftrunken. »Willst du
mich umbringen? Irgendwann werde ich aufwachen und
feststellen, dass ich tot bin, weil du mich im Schlaf erstickt
hast.«
Alles Verleumdung, erklang Astaroths Stimme in seinen
Gedanken. Katzen tun so etwas nicht. Das ist nur ein Gerücht,
das von katzenhassenden Hundeliebhabern in die Welt gesetzt
wurde.
Mike war noch nicht wach genug, um einem so komplizierten
Gedankengang zu folgen. Benommen setzte er sich auf und
schwang die Beine vom Bett. Astaroth wurde mehr oder
weniger unsanft von seiner Brust heruntergeschleudert und
landete mit typischer Katzengeschicklichkeit auf allen vier
Pfoten. Trotzdem schenkte er Mike einen beleidigten Blick.
»Was willst du eigentlich?«, fragte Mike, während er ein
Gähnen unterdrückte und sich mit beiden Händen über die
Augen rieb.
Entschuldige, dass ich deinen Schönheitsschlaf gestört habe, antwortete Astaroth beleidigt. Obwohl du ihn weiß Gott nötig
genug hättest. Trautman schickt mich. Wir haben unser Ziel
erreicht und tauchen gleich auf. Außerdem ist das Essen fertig.
»Essen?«, fragte Mike misstrauisch. »Wer hat heute
Küchendienst?«
Ben, antwortete Astaroth. Er klang jetzt eindeutig
schadenfroh. Aber an deiner Stelle würde ich mich nicht zu laut
beschweren. Trautman ist nicht besonders gut gelaunt.
Mike stand auf und begann sich anzuziehen. »Ist er immer
noch sauer wegen der Wache?«
Sauer ist gar kein Ausdruck, antwortete Astaroth. Mit Recht.
Ist dir eigentlich klar, dass wir alle um ein Haar in den Tang
gebissen hätten?
»In den Tang gebissen?«
Sagt ihr Menschen das nicht so? Mike überlegte einen
Augenblick, aber dann grinste er. »Ins Gras gebissen, meinst
du.«
Wir sind hier auf dem Meeresgrund, erwiderte Astaroth. Da
gibt es kein Gras.
Mike grinste. Er zog sich schnell an, verließ seine Kabine und
steuerte den Salon an.
Trautman, Singh, Serena, Ben und Chris saßen bereits an dem
großen Tisch im Salon und stocherten in dem herum, was sich
auf ihren Tellern befand.
Trautman begrüßte ihn mit einem wortlosen Nicken und
deutete auf den einzigen noch freien Platz. Mike setzte sich,
warf aber vorher noch einen raschen Blick aus dem Fenster. Die
NAUTILUS war aufgetaucht und lag jetzt wieder reglos an der
Wasseroberfläche. Trotzdem konnte er draußen nicht viel sehen.
Die Sonne war untergegangen und der Himmel war so bewölkt,
dass so gut wie keine Sterne sichtbar waren.
Eine Weile war nur das Klappern des Bestecks zu hören, dann
räusperte sich Trautman vernehmlich. »Ich möchte mich noch
bei euch entschuldigen«, sagte er. »Ich war vorhin vielleicht ein
bisschen heftig. Es tut mir Leid, dass ich die Beherrschung
verloren habe. Aber seine Pflichten auf der Wache zu
vernachlässigen ist wirklich eine der schlimmsten Verfehlungen
an Bord eines Schiffes. Ihr habt ja gesehen, was passieren
kann.«
Wieder kehrte für endlose Sekunden ein betretenes Schweigen
ein. Dann räusperte sich Chris und sagte: »Ich war es.«
Trautman runzelte die Stirn. »Was?«
»Es war meine Wache«, gestand Chris niedergeschlagen.
»Wenn ich die Instrumente im Auge behalten hätte, hätte ich
das Schiff bestimmt früh genug bemerkt. Aber ich war ...
abgelenkt.«
Trautman schwieg, dann sagte er überraschend sanft: »Ich
werde dir jetzt keine Standpauke halten, wenn du das erwartest.
Du hast ja erlebt, was geschehen kann. Denk das nächste Mal
daran.«
»Bestimmt«, versprach Chris.
Plötzlich lächelte Trautman. Er griff nach seinem
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