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Die Stadt unter dem Eis

Die Stadt unter dem Eis

Titel: Die Stadt unter dem Eis
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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herum und sah zur Eisküste
hinüber und der Moment war vorbei. Später, dachte Mike. Er
würde es ihr später sagen. Bald. Ganz bestimmt.
Warte nicht zu lange damit, erklang Astaroths telepathische
Stimme in seinem Kopf. Sonst kommt eines Tages ein Prinz auf
einem weißen Delphin und reitet mit ihr in den
Sonnenuntergang und du heulst dir die Augen aus.
Mike zog es vor, nicht darauf zu antworten. Astaroth hatte ja
Recht – aber im Moment war wirklich nicht der richtige
Augenblick für eine Liebeserklärung. Auch wenn Serena in
ihrer weißen Felljacke wirklich ganz entzückend aussah ...
»Es ist unglaublich«, sagte Serena. »Ich war schon einmal
hier, weißt du? Aber damals ... sah es ganz anders aus. Dieses
Land war von Wäldern und fruchtbaren Wiesen und Sümpfen
bedeckt.«
»Ich weiß«, antwortete Mike. »Daher kommt der Name. Die
alten Wikinger nannten diese Insel Grünland, wegen ihrer
grünen Küsten. Jetzt ist hier alles tot. Ich frage mich, was hier
passiert ist.«
»Das, was Winterfeld mit der ganzen Welt vorhatte«, sagte
eine Stimme hinter ihnen. Mike drehte sich erschrocken herum
und entdeckte Trautman, der in eine dicke Pelzjacke gehüllt und
in gefütterten Stiefeln vom Turm heruntergeklettert kam.
Obwohl er erst seit einigen Sekunden im Freien war, glitzerten
in seinem weißen Bart bereits Eiskristalle.
»Die vorherrschende Meinung ist, dass der Golfstrom seine
Richtung geändert hat«, fuhr er fort, während er näher kam. Die
schwere Kleidung, die er trug, ließ seine Bewegungen ungelenk
und schwerfällig erscheinen. »Dadurch blieb der Zustrom von
warmer Luft aus den Tropen aus. Gleichzeitig kam immer mehr
kalte Luft aus dem Norden, vom Polarkreis her. Es dauerte
wahrscheinlich nur ein paar Dutzend Jahre, bis die ganze Insel
buchstäblich eingefroren war. Dasselbe wäre mit einem großen
Teil von Europa geschehen, hätte Winterfeld mit seinem
wahnsinnigen Plan Erfolg gehabt.«
»Aber das haben wir ja gottlob verhindert«, sagte Mike. »Wie
kommen Sie ausgerechnet jetzt wieder auf Winterfeld? Er ist
seit Jahren tot.«
Trautman zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung«, sagte
er. »Vielleicht weil wir auf dieses deutsche Kriegsschiff
gestoßen sind ... Ich hatte gehofft, dass wir sie endgültig los
wären.«
»Das sind wir auch«, behauptete Mike. »Es war bestimmt nur
ein Zufall.« Er deutete zur Küste. »Was haben Sie jetzt vor?
Wollen wir anlegen und die Eiswand hinaufsteigen?«
Die Worte waren natürlich nur scherzhaft gemeint. Die
Eisküste war mehr als fünfzig Meter hoch und so glatt wie
poliertes Glas. Selbst eine Fliege hätte Mühe gehabt, sie
hinaufzuklettern.
»Das wäre zu gefährlich«, ging Trautman auf Mikes
Bemerkung ein. »Diese Eisberge sind nicht so stabil, wie sie
aussehen. Ich möchte nicht mit der NAUTILUS vor der Küste
liegen, wenn gerade zehn- oder zwanzigtausend Tonnen Eis
davon abbrechen. Wir müssen einen anderen Weg suchen.«
Sein Blick glitt über die gewaltige Barriere aus Eis, als suche er
nach etwas ganz Bestimmtem.
»Senden sie den Notruf immer noch aus?«, fragte Serena.
Trautman nickte, ohne den Blick von der Eisküste zu nehmen.
»Wir sind nicht sehr weit von seiner Quelle entfernt ... vielleicht
fünfzig, sechzig Kilometer weit im Landesinneren. Genau in
dieser Richtung.« Er hob den Arm und deutete in gerader Linie
über den Bug der NAUTILUS hinaus. »Leider ist es unmöglich,
in direkter Richtung dorthin zu gelangen.«
»Geht jetzt nach unten, ihr beiden«, fuhr Trautman nach einer
Weile fort. »Wir tauchen bald wieder.«
»Wohin?«
»Es gibt eine kleine Siedlung, ungefähr hundert Meilen von
hier entfernt«, erklärte Trautman. »Vielleicht finden wir dort
einen Weg, an Land zu kommen.«
»Hier leben Menschen?«, fragte Serena überrascht.
»Eine kleine norwegische Handelsstation«, bestätigte
Trautman. »Ich weiß nicht einmal ihren Namen. Hat auch
keinen Zweck, ihn sich zu merken. Er wechselt nämlich alle
paar Jahre.«
»Wieso?«
»Weil sich die Norweger, die Dänen und die Inuit noch immer
nicht darüber einigen können, wem dieses Land nun eigentlich
gehört«, seufzte Trautman. »Die Inuit sind die Eingeborenen
hier, wisst ihr? Die meisten nennen sie Eskimos, aber sie selbst
mögen diesen Namen eigentlich nicht. Sie sind ein sehr stolzes
Volk.«
»Aber wenn es Eingeborene gibt«, sagte Serena, »dann ist
doch ganz klar, wem das Land gehört!« Trautman seufzte
erneut. »Leider sehen die Norweger und die Dänen das etwas
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