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Die Stadt unter dem Eis

Die Stadt unter dem Eis

Titel: Die Stadt unter dem Eis
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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lauter und in
verändertem Tonfall fort: »Wir ändern unseren Plan. Singh, du
bleibst hier und hältst Augen und Ohren auf. Wenn irgendetwas
Seltsames passiert, dann bringst du die NAUTILUS von hier
weg. Ich gehe allein an Land.«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage«, sagte Ben.
»Ich glaube nicht, dass du das entscheidest«, antwortete
Trautman kühl.
»Aber er hat Recht«, mischte sich Mike ein. »Warum soll
Singh Sie nicht begleiten? Es ist viel zu gefährlich, allein zu
gehen.«
»Ich will kein unnötiges Aufsehen erregen«, antwortete
Trautman. »Wenn es hier wirklich deutsche Soldaten gibt, dann
fällt Singh als Inder sofort auf.«
»Dann komme ich mit«, sagte Ben.
»Kannst du Deutsch?«, fragte Trautman. Er nickte, als Ben
nicht antwortete. »Siehst du? Es ist wirklich das Beste, wenn ich
allein gehe.«
»Dann begleite ich Sie«, sagte Mike. »Wir hatten uns doch
geeinigt, dass keiner von uns allein auf eine gefährliche Mission
geht, oder?«
»Gefährlich wird es allerhöchstens, wenn mich einer von euch
begleitet«, widersprach Trautman. Aber er war chancenlos.
Mike hatte nämlich die Wahrheit gesagt: Es kam immer wieder
einmal vor, dass einer von ihnen zu einer gefahrvollen
Unternehmung aufbrechen musste, und sie hatten recht schnell
begriffen, dass es dabei eine eiserne, überlebensnotwendige
Grundregel gab: Niemals, unter gar keinen Umständen allein zu
gehen.
»Also gut«, seufzte Trautman schließlich. »Mike kann
mitkommen. Und Singh, ich meine es ernst: Wenn du auch nur
einen Schatten siehst, der dir nicht geheuer vorkommt, dann
verschwindest du von hier. Wir finden euch schon irgendwie
wieder.«
»Wie kommen wir an Land?«, fragte Mike.
»Wie wohl?« Trautman zuckte mit den Achseln und sah ihn
auf eine Weise an, die Mike sich mit einem Male unbehaglich
fühlen ließ. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte er
geschworen, ein schadenfrohes Glitzern in seinen Augen zu
sehen. »Wie man von einem getauchten Unterseeboot eben an
Land geht. Glücklicherweise haben die Einheimischen ein paar
Löcher ins Eis geschlagen, um zu angeln oder sonst was zu
tun.«
Es dauerte ein paar Sekunden, ehe Mike wirklich begriff, was
Trautman meinte. Seine Augen wurden groß. »Schwimmen?«,
krächzte er. »Sie wollen ... schwimmen?«
»Wir«, verbesserte ihn Trautman, während das schadenfrohe
Grinsen auf seinem Gesicht breiter wurde. »Immerhin hast du
darauf bestanden, mitzukommen.«
»Aber das Wasser ist eisig!«, protestierte Mike. Trautman
nickte ungerührt. »Es wird wohl kaum mehr als vier oder fünf
Grad haben«, sagte er. »Aber keine Sorge. Die Taucheranzüge
leisten uns einen gewissen Schutz. Natürlich nicht für lange.
Wir müssen uns eben beeilen.«
    Wie sich herausstellte, boten die schweren Taucheranzüge mehr
als nur einen gewissen Schutz. Tatsächlich spürte Mike die
Kälte nicht einmal, während er zusammen mit Trautman die
NAUTILUS verließ und über den steinigen Flussgrund
marschierte. Die Lücke im Eis, von der Trautman gesprochen
hatte, war einen knappen halben Kilometer vom Schiff entfernt,
aber sie brauchten eine Weile, um sie zu finden. Sie konnten es
nicht wagen, auch nur Taschenlampen zu benutzen, denn sie
waren zu nahe an der Stadt. Hätte jemand auch nur zufällig in
Richtung Fluss gesehen, hätte ihm der Lichtschein auffallen
können, der unter dem Eis herumgeisterte. So brauchten sie –
obwohl sie sich beeilten – eine gute halbe Stunde, um an Land
zu kommen, und dann noch einmal zehn Minuten, um die
schweren Anzüge auszuziehen und mit Schnee zu bedecken,
damit sie nicht gefunden wurden.
    Danach wurde die Kälte wirklich grausam. Schon bevor sie
den halben Weg zur Stadt zurückgelegt hatten, wünschte Mike
sich fast in den Fluss und seinen wärmenden Anzug zurück, und
als sie sich endlich dem kleinen Hafen näherten, da war jedes
Gefühl aus Mikes Fingern und Zehen gewichen. Sie hatten die
wärmsten Kleider angezogen, die sie an Bord der NAUTILUS
gefunden hatten, aber auf solche Temperaturen waren sie
einfach nicht vorbereitet.
    »Das da vorne scheint die Hafenkneipe zu sein«, sagte
Trautman. »Oder das, was man hier dafür hält. Am besten
gehen wir dorthin.«
    Wohin auch sonst? dachte Mike. Sie konnten kaum an
irgendeiner Tür klopfen und behaupten, sie hätten den Bus
verpasst. Zitternd vor Kälte sah er sich um. Der Hafen bot einen
beinahe unheimlichen Anblick. Die Häuser waren klein,
ausnahmslos einstöckig und hatten winzige Fenster, die mit
schweren hölzernen
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