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Die Stadt unter dem Eis

Die Stadt unter dem Eis

Titel: Die Stadt unter dem Eis
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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flüsterte Vom Dorff. »Das würde die
NAUTILUS genauso vernichten.«
»Vielleicht«, sagte Trautman. »Vielleicht aber auch nicht.
Außerdem glaube ich nicht, dass Ben darauf Rücksicht nimmt.
Er ist ein bisschen verrückt, müssen Sie wissen. Und keiner von
uns würde zögern sein Leben zu riskieren, um einen der anderen
zu retten. So sind wir nun einmal.«
Vom Dorff schwieg verbissen. Sein Blick tastete unsicher
über die Kaimauer und die Gebäude dahinter. Die Anzahl der
Soldaten war noch weiter gewachsen. Mike schätzte, dass
mittlerweile mehr als hundert Waffen auf die NAUTILUS
gerichtet waren.
»Was ist nun, Freunde?«, fragte Ben. »Singh hat einen
nervösen Zeigefinger. Was soll ich ihm sagen?«
»Vom Dorff?«, fragte Trautman. Vom Dorff schluckte nervös.
»Was ... was ist mit dieser Kernschmelze?«, fragte er.
»Ich sage Ihnen, was zu tun ist«, antwortete Trautman.
»Sobald wir an Bord der NAUTILUS und in sicherer
Entfernung sind. Sie haben mein Wort. Hier kann in zehn
Sekunden ein Krieg ausbrechen, der uns alle das Leben kostet,
zumindest aber das sehr vieler Ihrer Leute. Oder Sie vertrauen
mir und niemand kommt zu Schaden.«
Vom Dorff überlegte. Zehn Sekunden. Fünfzehn. Dreißig.
Und dann hob er den Arm und winkte Ben zu.
»Ahoi, NAUTILUS!«, rief er. »Lassen Sie das Beiboot zu
Wasser! Wir kommen an Bord!«
Zehn Minuten später glitt die NAUTILUS rückwärts und sehr
langsam wieder aus dem Hafen hinaus. Die Lücke im Eis, in der
sie sich nun befand, war gerade groß genug, um dem gewaltigen
Schiff Platz zu bieten. Wenn sie tauchten, um unter die
Eisdecke des zugefrorenen Sees zu gelangen, würden sie
senkrecht absteigen müssen.
»Es wird Zeit«, sagte Ben. »Wir sollten nicht zu lange an
diesem gastlichen Ort bleiben. Die WOTAN ist zwar im
Moment irgendwo auf hoher See und jagt Gespenster, aber ich
möchte nicht hier sein, wenn sie ankommt. Dieses Schiff macht
mir Angst.«
»Wo ist es überhaupt?«, fragte Trautman.
»Weit weg«, antwortete Ben ausweichend. »Keine Angst.
Ihrem Sohn ist nichts passiert.«
»Woher ... weißt du das?«, fragte Mike verblüfft, aber Ben
antwortete nur mit einem Grinsen und Trautman unterbrach das
Gespräch, indem er sich an Vom Dorff wandte und mit der
unverletzten Hand zum Ufer hinunter wies.
»Sie sollten jetzt von Bord gehen, Herr Vom Dorff. Sie haben
auch nicht mehr alle Zeit der Welt.«
Vom Dorff sah auf die schimmernde Eisfläche fünf Meter
neben dem Deck der NAUTILUS hinab. »Sie haben mir etwas
versprochen«, erinnerte er.
»Dass niemand zu Schaden kommen wird, wenn Sie uns
gehen lassen, ja«, bestätigte Trautman. »Und das wird auch
nicht geschehen. Sie haben Zeit genug, die Stadt zu evakuieren.
Kanuat wird Ihnen zeigen, wie Sie auf dem kürzesten Weg hier
wegkommen.«
Vom Dorff blinzelte. »Das war nicht unsere Vereinbarung.
Ich habe Sie für einen Ehrenmann gehalten, Trautman!«
»Was ich getan, habe, ist nicht rückgängig zu machen«, sagte
Trautman. »Der Reaktorkern wird schmelzen. Keine Macht der
Welt kann das jetzt noch verhindern.«
»Auch ... Sie nicht?«
»Auch ich nicht«, bestätigte Trautman.
Vom Dorff schloss für einen Moment die Augen. Als er
weitersprach, war seine Stimme ganz leise und klang auf eine
fast unheimliche Art leer und flach. »Sie konnten das nie, habe
ich Recht?«, fragte er.
Trautman nickte.
»Sie müssen wirklich an das glauben, was Sie sagen«, fuhr
Vom Dorff kopfschüttelnd fort. »Sie hatten tatsächlich vor, Ihr
eigenes Leben zu opfern, nur um den Jungen zu retten. Sie sind
ein erstaunlicher Mann, wissen Sie das eigentlich? So ganz
anders als Ihr Sohn. Ich bedaure es ehrlich, dass wir uns nicht
unter anderen Umständen begegnet sind.« »Was jetzt nicht ist,
kann ja noch werden«, antwortete Trautman. »Aber nur, wenn
Sie nicht noch mehr Zeit verschwenden. Gehen Sie und warnen
Sie Ihre Leute. In fünf Stunden bricht hier ein Vulkan aus, der
alles Leben im Umkreis von zehn Kilometern vernichtet. Ich
nehme an, dass der gesamte See auftauen wird. Sie sollten also
sehen, dass Sie und Ihre Leute bis dahin nicht mehr auf dem Eis
sind. Kanuat wird Ihnen helfen. Geben Sie mir Ihr Wort, dass
ihm nichts geschieht?«
»Ja«, antwortete Vom Dorff. Dann drehte er sich herum,
sprang mit einer erstaunlich kraftvollen Bewegung auf das Eis
hinab und rannte mit weit ausgreifenden Schritten auf das offen
stehende Fluttor zu.
»Glauben Sie, dass er Wort hält?«, fragte Mike.
»Was Kanuat angeht?« Trautman nickte. »Ja.
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