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Die Stadt unter dem Eis

Die Stadt unter dem Eis

Titel: Die Stadt unter dem Eis
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schatz versenkt man doch nicht
einfach.« Er schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein. Keine
Angst, Mike. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um
die NAUTILUS unbeschädigt in meine Gewalt zu bringen.«
Mike sagte nichts mehr, sondern starrte Trautman nur an. Er
war enttäuscht, wütend und verletzt wie selten zuvor in seinem
Leben. Aber das war nicht einmal das Schlimmste.
Das Allerschlimmste ist, dachte Mike, dass Trautman
durchaus gute Chancen hatte, erfolgreich zu sein.
»Ich bin nicht überrascht.« Trautman hatte sich in seinem Bett
aufgesetzt und sah ihn traurig an. Unter seinen Augen lagen
dunkle Ringe und er war noch immer blass, aber ansonsten hatte
er sich ganz gut erholt. Er war eben zäh. »Enttäuscht, ja, aber
nicht überrascht. Was du mir erzählt hast, passt genau zum
Charakter meines Sohnes.«
»Und ich habe ihm alles verraten!«, sagte Mike. »Wenn es
ihm jetzt gelingt, die NAUTILUS zu kapern, dann ist das ganz
allein meine Schuld.«
»Ist es nicht«, widersprach Trautman. »Woher hättest du es
wissen sollen? Wenn jemanden die Schuld trifft, dann mich. Ich
hätte dich warnen müssen.«
»Warum haben Sie uns eigentlich nie erzählt, dass Sie einen
Sohn haben?«, fragte Mike.
Trautman setzte sich weiter auf. Seine Linke spielte mit
kleinen, nervösen Bewegungen an den weißen Mullbinden, mit
denen sein rechter Arm und seine Schulter bandagiert waren,
während er antwortete. »Ja, warum habe ich nie darüber
geredet? Ich weiß es nicht. Vielleicht weil kein Vater stolz
darauf ist, zuzugeben, dass sein einziger Sohn ein gewissenloser
Verbrecher geworden ist.«
»Das wissen Sie doch gar nicht«, widersprach Mike.
»Vielleicht hat Vom Dorff ihn ja gezwungen, ihm zu helfen.«
»Gezwungen?« Trautman schnaubte. »Du kennst Thomas
nicht. Es sollte mich wundern, wenn er nicht in spätestens
einem Jahr der Chef hier ist.«
Mike war ziemlich sicher, dass er es jetzt schon war. Als er
mit Vom Dorff und Berghoff gesprochen hatte, da hatte er
jedenfalls nicht den Eindruck gemacht, mit einem Vorgesetzten
zu reden. Aber das behielt er im Moment lieber für sich. Es
hatte keinen Zweck, Trautman noch mehr wehzutun.
»Was ist passiert?«, fragte Mike. »Zwischen Ihrem Sohn und
Ihnen, meine ich.«
Trautman zuckte mit den Achseln, verzog dann schmerzhaft
die Lippen und hob die Hand an seine verletzte Schulter. »Die
übliche Geschichte eben«, sagte er. »Die, die oft zwischen
Vätern und Söhnen vorkommt
– wir wollten einander
ununterbrochen beweisen, wer der Bessere ist.«
Mike verstand das nicht ganz – wie auch? Schließlich hatte er
seinen Vater niemals kennen gelernt. Er sagte nichts und
Trautman fuhr mit leiser, beinahe abwesend klingender Stimme
fort: »Es war auch meine Schuld. Vielleicht habe ich ein paar
Mal zu oft den starken Mann herausgekehrt. Wir waren uns nie
einig. Als ich mich damals entschlossen habe, bei Nemo zu
bleiben, kam es schließlich zum großen Streit.«
»Er wusste davon?«
»Nicht alles, aber eine Menge, ja«, bestätigte Trautman. »Er
war immerhin mein Sohn. Warum sollte ich Geheimnisse vor
ihm haben? Eine Weile hatte ich sogar die Hoffnung, dass wir
... zusammenbleiben könnten.«
»Auf der NAUTILUS?«
Trautman nickte. »Ich war Ingenieur, während Thomas sich
entschloss, die wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen.
Natürlich faszinierten ihn die Geheimnisse der alten Atlanter
und ich zeigte ihm davon, was immer ich zu verantworten
können glaubte. Nicht alles
– aber ich fürchte, trotzdem zu
viel.«
Mike hörte schweigend zu, während Trautman von sich und
seinem Sohn erzählte
– wie sie gemeinsam die faszinierende
Technik der NAUTILUS zu enträtseln versucht hatten, wie sie
darüber spekuliert hatten, welche Wunder das untergegangene
Volk der Atlanter noch hinterlassen haben mochte, wie sie zu
finden sein würden und vor allem, wie man sie zum Segen der
Menschheit einsetzen konnte. Mike brannten tausend Fragen auf
der Zunge, aber er hütete sich, Trautman auch nur ein einziges
Mal zu unterbrechen. Er spürte genau, wie wichtig es für
Trautman war, ihm all dies zu erzählen. In all den Jahren, die
sie jetzt zusammen waren, hatte Trautman niemals auch nur
erwähnt, dass er einen Sohn hatte. Aber während er Trautman
zuhörte, wurde ihm klar, wie sehr der alte Mann darunter
gelitten haben musste; und wie sehr es ihn erleichterte, nun
endlich einmal darüber reden zu können.
»Der endgültige Bruch kam wohl, als ich an Bord der
NAUTILUS ging«, schloss
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