Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt unter dem Eis

Die Stadt unter dem Eis

Titel: Die Stadt unter dem Eis
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
seit über zwanzig Jahren
nicht gesehen, und auch wenn Trautmans Sohn entsprechenden
Fragen geschickt aus dem Weg ging, so war Mike doch nach
einer Weile ziemlich sicher, dass die beiden nicht im Guten
auseinander gegangen waren.
Sie redeten, bis das Mittagessen gebracht wurde. Während der
Gefangenenwärter die dünne Suppe ausschenkte, die sich im
Übrigen in nichts von der vom Morgen unterschied, versanken
sie wieder in Schweigen, und während sie darauf warteten, dass
die geleerten Teller wieder abgeholt wurden, ging die Tür am
Ende des Ganges auf und Vom Dorff und Kapitänleutnant
Berghoff erschienen.
»Wie ich sehe, hast du ja schon neue Freunde gefunden«,
begann Vom Dorff. »Die Überraschung ist mir gelungen, wie?«
Mike sagte nichts und auch Trautman junior schwieg, spießte
Vom Dorff aber mit Blicken regelrecht auf.
»Also gut«, seufzte Vom Dorff. »Ich habe nicht den ganzen
Tag Zeit. Hast du dir mein Angebot überlegt?«
»Meine Freunde zu verraten?«
»Dir wenigstens anzuhören, was wir zu sagen haben, mein
Junge«, sagte Berghoff. »Vielleicht urteilst du vorschnell.«
»Was haben sie dir erzählt?«, fragte Trautman böse. »Dass sie
diese Anlage und die WOTAN benützen wollen, um der Welt
den himmlischen Frieden zu bringen?« Er machte ein abfälliges
Geräusch. »Glaub ihnen kein Wort. Sie sind nichts als
habgierige Piraten.«
»Das hat die Welt über Mikes Vater auch gedacht«, sagte
Vom Dorff ruhig. »Ist Ihnen noch nie in den Sinn gekommen,
dass Sie sich irren könnten?«
»Mir ist alles Mögliche in den Sinn gekommen, in den
Monaten, in denen ich jetzt in diesem Loch sitze«, grollte
Trautman.
Vom Dorff setzte zu einer Antwort an, beließ es aber dann bei
einem wertlosen Kopfschütteln und wandte sich wieder an
Mike. »Können wir wenigstens vernünftig miteinander reden?«,
fragte er.
Mikes erster Impuls war natürlich, empört den Kopf zu
schütteln. Aber dann zögerte er, dachte einen Moment nach und
sagte schließlich: »Ich kann das nicht allein entscheiden. Ich
muss mit Trautman reden. Und ich will, dass er dabei ist.« Er
deutete auf Trautmans Sohn.
Berghoffs Gesicht verdüsterte sich. »Du bist wohl kaum in der
Position, Forderungen zu –«
»Moment!« Vom Dorff unterbrach ihn mit einer Geste.
»Warum eigentlich nicht? Als kleine Geste des guten Willens
sozusagen ... Wenn Sie einverstanden sind.«
Trautman junior wirkte kaum weniger verblüfft und er zögerte
auch ein kleines bisschen länger, als eigentlich gut war. Aber
dann nickte er.
»Wunderbar!«, freute sich Vom Dorff. »Das ist doch schon
einmal ein Anfang. Ich lasse euch dann in einer halben Stunde
abholen.«
    Die Eskorte, die sie zu Trautman bringen sollte, erschien fast
auf die Minute pünktlich. Aber sie wurden nicht sofort in die
Krankenstation geführt. Stattdessen wiesen die Männer sie in
ein anderes Gebäude, in dem eine Badewanne mit heißem
Wasser, frische Kleider und sogar ein Frisör auf Trautmans
Sohn warteten.
    Als er – nach einer guten halben Stunde – wieder aus dem
angrenzenden Zimmer kam, hatte er sich total verändert. Mike
war trotz allem überrascht. Schon am Morgen war ihm die
verblüffende Ähnlichkeit zwischen dem schwarzhaarigen Mann
und seinem Vater aufgefallen. Jetzt, mit kurz geschnittenem
Haar, sorgsam gestutztem Bart und frischen Kleidern, hätten die
beiden – abgesehen vom Alter – eineiige Zwillinge sein können.
Sein Gesicht sah erstaunlich frisch aus für einen Mann, der fast
ein Jahr lang in einer Gefängniszelle gesessen hatte.
    »Großer Gott, hat das gut getan!«, seufzte er. »Jetzt noch eine
anständige Mahlzeit und ein riesiges Glas Bier und ich fühle
mich fast wieder wie ein Mensch!« Er setzte sich schwer in
einen der bequemen Stühle, mit denen das Zimmer ausgestattet
war. »Es ist schon erstaunlich, wie sehr man die kleinen Dinge
des Lebens zu schätzen lernt, wenn man sie erst einmal eine
Weile nicht hat.«
»Vielleicht bekommen Sie sie ja bald wieder«, sagte Mike.
    Trautman lachte vollkommen humorlos. »Ich habe dich für
klüger gehalten«, sagte er. »Du fällst doch nicht wirklich auf
diesen Vom Dorff herein?«
    »Natürlich nicht«, antwortete Mike. »Aber ich habe Ihnen
nicht alles erzählt.«
Trautman warf einen raschen Blick zur Tür und Mike tat
dasselbe, ehe er weitersprach. Aber sie waren allein.
»Ich war unten nicht ganz sicher, ob uns nicht doch jemand
belauscht«, fuhr Mike fort.
»Das war sehr vernünftig«, pflichtete ihm Trautman bei.
»Aber
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher