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Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange

Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange

Titel: Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange
Autoren: Mark Brandis
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1.
Mark Brandis,
Chef Raumnotrettungsflotte UGzRR
Eingabe ins elektronische Bordbuch
    Der erste Weihnachtstag des Jahres 2083 war drei Stunden und siebenundvierzig Minuten Bordzeit alt, als in meiner Kammer an Bord des Raumnotkreuzers Henri Dunant das Visiofon anschlug. Vor einer knappen Stunde noch hatte ich mit Ruth O'Hara, meiner Frau, im fernen Metropolis gesprochen, und vor meinen Augen hatte die Erde dagelegen wie ein wunderschöner blauer Diamant auf goldgesprenkeltem, feierlich schwarzem Samttuch. Ruth hatte mir und dem Schiff ›Fröhliche Weihnachten‹ gewünscht und sich nicht anmerken lassen, wie sehr sie mich vermißte.
    Durch das nachlässig zugezogene Bullauge fiel das fahle Licht eines lunaren Tages. Vor dem staubigen Beton der ehemaligen Versorgerrampe von Las Lunas, über der nun kraft eines auf dreißig Jahre geschlossenen Pachtvertrages die weiße Flagge mit dem roten Johanniterkreuz im gelben Sonnenball wehte und die Anwesenheit der erst wenige Monate alten Unabhängigen Gesellschaft zur Rettung Raumschiffbrüchiger (UGzRR) bezeugte, konnte ich die geschmacklosen Türme des neuzeitlichen Babylons sehen, sowie fern am Horizont, als schmuddeliges Gelb vor schwarzem Nichts, die scharfgratigen Steilwände des Montes Cordillera. Auch die Einsicht, daß der den Las Lunianern abgerungene Vertrag nicht einmal mit Gold aufzuwiegen war, vermochte nicht darüber hinwegzutäuschen, daß die Aussicht von niederschmetternder Trostlosigkeit war.
    Die im alten Versorger-Tower untergebrachte Raumnotwache war am Apparat. Hua McKim – halb Schotte, halb Koreaner –, Mike Bergers rechte Hand, zeigte mir auf dem Monitor sein übernächtigtes Gesicht über dem schief zugeknöpften Hemdkragen.
    »Tut mir leid, Commander. Da liegt wieder mal so ein VN vor.«
    Ich machte mich ans Ankleiden. Ein VN war ein Vielleicht-Notruf.
    »Schießen Sie los, McKim!« 
    McKim wiegte den Kopf.
    »Ich nehme an, Sie kennen die Delfin …«
    »Der verrottete Gammelkasten?«
    »Eben der. Also, der will da was aufgefischt haben, ein verstümmeltes SOS. Ist ja alles möglich. Was mir dabei nicht gefällt: Als ich mit dem Funker sprach, war an Bord, den Hintergrundsgeräuschen nach zu urteilen, gerade das Christkind am Jodeln. Sie verstehen, was ich meine, Commander. Die ganze Delfin -Crew war sternhagelvoll. Und in diesem Zustand will sie ein VN aufgefischt und sogar eine Peilung vorgenommen haben.« 
    Mich wunderte es nicht, daß McKim die Sache mißfiel. Sie gefiel mir auch nicht. Andererseits konnte man sie nicht einfach übergehen.
    »Augenblick. Ich schalte zu.« 
    McKim schüttete sich Kaffee in einen Becher, während ich in meiner Kammer die Memorial-Taste drückte. Fortan hörte der Flight-Computer, Sequenz Navigation, mit und speicherte alle Informationen und Daten.
    »Also, die Peilung!« 
    McKim warf einen Blick auf seinen Zettel.
    »Delta Echo Bravo Zwo Zero Neun – eine miserable Einstrich-Peilung.« McKim hob die Hand. »Ich persönlich nehme an, daß man sich auf der Delfin hat täuschen lassen durch das Fragment eines gewöhnlichen Lichtspruchreflexes. Sie wissen ja, was das für Fuhrleute sind – gerade daß sie ihren Namen schreiben können.« 
    Die Delfin , ein Frachter, der für ein in Las Lunas ansässiges Syndikat flog und wahrscheinlich auch dann und wann mal illegale Fracht transportierte, war eine fragwürdige Angelegenheit. Vor ein paar Wochen hatte sie schon einmal die ganze Welt verrückt gemacht mit der Behauptung, Ahmed Khans Stimme im Äther gehört zu haben. Mit seiner Vermutung, daß wir es mit einem blinden Alarm zu tun hatten, war McKim auf einer guten Spur. 
    Ich seufzte. 
    »Bleiben sie dran. McKim!«
    Bis zum Kartenhaus – amtlich Navigation Center und kurz NC – waren es nur ein paar Schritte. Ich zwängte mich auf den Hocker hinter dem summenden Speicher und rief die Positionen der anderen Schiffe ab. Der Speicher war ein unbezahlbares Stück. Bevor wir ihn bekamen, hatte es zur Feststellung der einzelnen Positionen erst eines umständlichen und zeitraubenden Hinundhers im Äther bedurft. Im Speicher, über den die Henri Dunant verfügte, waren die Flight-Sequenzen von insgesamt sechs Bordcomputern gekoppelt. 
    McKim war am Gähnen, als ich zum Visiofon zurückkehrte.
    »Ich schlage vor, die Albert Schweitzer geht der Sache nach. Sie könnte in rund achtzehn Stunden vor Ort sein.«
    McKims schräge Augen blickten betrübt.
    »Richtig, die Albert Schweitzer ! Mike Berger trug mir auf, die
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