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Schaerfer als Wasabi

Schaerfer als Wasabi

Titel: Schaerfer als Wasabi
Autoren: Verena Rank
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Eins

    Er stand wieder auf dieser großen Wiese. Kein Baum oder Strauch weit und breit, kein Haus. Nur dieses scheinbar grenzenlose Grün. Eine leichte Brise streichelte sein Gesicht und spielte in seinem Haar. Der Himmel war so strahlend blau, dass seine Augen brannten, als er hinaufblickte.
    „Nick, komm her mein Schatz!“ Die Stimme seiner Mutter ließ ihn zusammenzucken, ruckartig wandte er sich um. Sie lächelte und streckte die Arme nach ihm aus, doch ihre Gestalt wirkte irgendwie verschwommen. Er kannte diese Situation, hatte sie schon so oft durchlebt, doch nichts davon war echt. In Wirklichkeit hatte ihm seine Mutter nie solche Wärme und Zuneigung entgegengebracht, oder ihn gar ‚ Schatz genannt. Er musste weg hier, bevor sein Vater wieder auftauchte. Sein Vater, den er nie kennengelernt hatte. Er würde ihm erneut Vorwürfe machen. Klar, es war ja auch alles seine Schuld. Nick war zwar noch ein Baby gewesen, aber wegen ihm war er gegangen.
    Sein Vater tauchte stets aus dem Nichts auf, die Arme vor der Brust verschränkt. Er rief ihn mit einer tiefen Stimme, die hart und bedrohlich klang. Nick konnte sein Gesicht nicht erkennen, es war verwaschen, als trübe ein Tränenschleier seinen Blick.
    „Du bist im Weg, Kleiner. Ich hab es dir schon so oft gesagt.“ Der sich wiederholende Vorwurf lastete schwer auf Nicks Seele. Er schluckte den schmerzhaften Knoten hinunter, der sich in seiner Kehle bildete, und wandte sich an seine Mutter. Obwohl er sie nicht genau erkennen konnte, wusste er, dass ihr Lachen zu Eis gefroren war. Nick ertrug ihre Ablehnung keine Sekunde länger. Er öffnete den Mund, um zu schreien, als er ein durchdringendes Klopfen hörte.

    „Nick, steh auf, du bist wieder viel zu spät dran!“
    Zurück in der Realität fand sich Nick in seinem Bett wieder, zwischen zerwühlten Laken und Kissen. Er setzte sich ruckartig auf und atmete schwer. Beinahe jede Nacht verfolgte ihn immer wieder derselbe Traum!
    Vanessa, seine Mitbewohnerin, hämmerte mit der Faust gegen seine Zimmertür. „In einer halben Stunde muss ich in der Klinik sein! Wenn du mitfahren willst, solltest du dich beeilen!“
    Nick rieb sich mit den Handflächen über das Gesicht und stöhnte auf.
    „Ja, ja. Ich bin wach!“ Noch etwas benommen schlüpfte er aus dem Bett und stellte seine Füße auf den kühlen Parkettboden. „Ich komme gleich.“

    Zwei Minuten später betrat Nick die Wohnküche, wo es bereits nach Kaffee duftete. Der Traum lag ihm noch schwer im Magen, dennoch ließ er sich nichts anmerken und gab sich cool wie immer. Vanessa stand bereits fertig angezogen an der Arbeitsplatte und goss Milch in ihre Cornflakes. Das kastanienbraune, glatte Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, der den Stoff ihrer weißen Bluse streifte. Ein Blick auf ihren hübschen Hintern, der in einer engen Jeans verpackt war, verbesserte Nicks Laune schlagartig. Das Einzige, das störte, waren ihre rosa Plüschschlappen in Schweinchenform. Immer steckten ihre Füße in diesen grässlichen Dingern, wenn sie zuhause war. Er grinste bei dem Gedanken, sie würde vergessen, die Hausschuhe auszuziehen und damit zur Arbeit fahren. Aus dem Radio schmetterte irgendeine Schnulze, die sie leise mitsummte, zur Begleitung gluckerte die Kaffeemaschine.
    Nick strich sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht, doch sofort fielen ihm die widerspenstigen Strähnen wieder in die Augen.
    „Morgen, Süße.“
    „Guten Morgen, Nick.“ Vanessa warf ihm einen Blick über die Schulter zu. Ihre braunen Rehaugen blieben zwei, drei Sekunden an seinem nackten Oberkörper hängen und wanderten dann hinunter zu seinen hellblau karierten Boxershorts.
    Er lachte leise. „Warum begießt du denn die Arbeitsplatte mit Milch? Bringt dich mein Anblick so durcheinander?“, fragte er mit einem überheblichen Grinsen im Gesicht.
    Vanessa fluchte, setzte die Milchtüte ab und schnappte sich einen Lappen von der Spüle, um die Sauerei zu beseitigen. Ihre Wangen hatten einen leichten Rotton angenommen.
    „Verdammt noch mal, Nick! Kannst du dir morgens nicht ein Mal etwas anziehen?“ Sie schüttelte den Kopf, sodass ihr Pferdeschwanz wild hin und her schwang, und schaltete die Kaffeemaschine aus. Nick zuckte unschuldig mit den Schultern, tappte barfuß zum Tisch und setzte sich.
    „Warum? Dir gefällt doch, was du siehst, oder?“ Er gähnte herzhaft und lachte in sich hinein. Er fand es süß, dass er Vanessa nach all der Zeit immer noch nervös machen konnte. War
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