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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Autoren: Jane Johnson
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zum Poro nie beenden können, dem Geheimbund, der den jungen Männern des Senufo-Volkes Weisheit, Kraft und Verantwortung beibringt. In dem Jahr, als ich unsere Rituale hätte lernen sollen, wurde ich von den Sklavenhändlern gefangen genommen. Doch ich hatte den kponyungu -Tanz getanzt und wusste um seine Kraft. In unserem Land dienen die Masken dazu, das Übel zu bekämpfen, ganz gleich, ob es aus dieser oder der anderen Welt kommt, natürlich oder übernatürlich ist. Manchmal ist eine Maske ein Schutzschild, ein feiner Panzer gegen das Böse, doch sie kann auch Ausdruck höchster Aggression sein. Jetzt beschwöre ich die mächtigen Kiefer des Krokodils, die Zähne der Hyäne, denen nichts widersteht, die Hauer des Warzenschweins und die Hörner des Wasserbüffels und dazwischen setze ich das Chamäleon, das Wesen der Verwandlung. Zuletzt stelle ich mir vor, wie ein ganzer Schwarm von Ameisen mit der Entschlossenheit der Unbeirrbaren über meine Maske läuft. Fauchend werfe ich mich wieder ins Wasser und versammle hinter der Maske all die Wut und Trauer, die ich in meinem ganzen Leben empfunden habe. Sie ist nicht länger mein zweites Gesicht. Sie ist mein eigenes Gesicht. Und ich bin nicht länger Nus-Nus, halb-halb, ein Eunuch, ein Sklave. Ich heiße Akuji. Und ich bin tot und lebendig zugleich.
    Die Löwin starrt mich unsicher an. Dann kräuselt sie die Schnauze, um mir die gewaltigen Zähne zu zeigen, doch es ist mehr eine Geste der Angst als der Überlegenheit. Nach einigen Sekunden, in denen Gewalt in der Luft liegt, trollt sie sich unter gehörigem Platschen im Wasser zum Ufer zurück, um sich am Festmahl ihres Rudels zu beteiligen.
    Ben Hadou starrt mich wortlos an. Ich kann mir nicht vorstellen, was er sieht, und zum ersten Mal ist es mir egal. Ich denke nicht, ich handle nur, und in der Schlichtheit des Tuns liegt so viel Reinheit, dass ich glühe wie Feuer, als wäre ich von einem Blitz der Freude und der Kraft getroffen, als vereinte ich die Kraft all meiner Ahnen in mir. Ich packe ben Hadou an der Kleidung und schleppe ihn kurzerhand hinter mir her durch den Graben und auf den Eisenzaun zu. Im gleichen Moment klettern Wachen über den Zaun – vier, fünf, mit Speeren und Säbeln bewaffnet. Das war’s, denke ich. Wenn die Löwen uns nicht töteten, so werden jetzt die bukhari dafür sorgen, dass wir unserer Strafe nicht entgehen, und uns wieder in die Grube werfen. Doch dann heben sie erst ben Hadou aus dem Wassergraben und anschließend mich.
    Man behandelt uns so ehrerbietig wie bedeutende Gäste des Sultans, die durch einen schrecklichen Zufall in eine Löwengrube gefallen sind.

NEUNUNDDREISSIG
    Radjab 1092 AH
    S amir Rafiks Freiheit war von kurzer Dauer. Der Sultan, unberechenbar wie eh und je, nahm ihm übel, dass er nur an sich selbst gedacht hatte, als er aus der Löwengrube geflohen war, und ließ ihn foltern. Unter Faroukhs Foltermaßnahmen gestand er, dass die Vergehen, deren er Kaid Mohammed ben Hadou und mich als seinen Stellvertreter bezichtigt hatte, erlogen waren.
    Obwohl al-Attar sich natürlich doch hatte porträtieren lassen. Zwei Mal.
    Obwohl er eine englische Magd zur Frau genommen hatte.
    Und ich während unseres Aufenthaltes in England tatsächlich Wein und Bier getrunken hatte.
    Am schlimmsten aber war, dass ich den Sohn des Sultans dem englischen König übergeben hatte. Doch da Samir Rafik keine Beweise für dieses letzte und schwerste Vergehen besitzt, hält er lieber den Mund.
    Es hatte weder Hurerei noch Besäufnisse gegeben, wie er nach unserer Verhaftung ausgesagt hatte, und als die anderen Mitglieder der Gesandtschaft sehen, wie sich die Dinge entwickeln, schlagen sie sich lieber auf ben Hadous Seite, als den Gefolterten zu unterstützen.
    Nachdem Faroukh die meisten seiner exquisiten Behandlungsmethoden angewendet hat, hätte der Neffe des Großwesirs alles gestanden, und genau das tut er auch. Ich erfahre, dass er alle möglichen bizarren Verbrechen zugegeben hat, selbst den Mord an dem Kräuterhändler Sidi Kabour, wobei er behauptet, dieser sei einerseits Teil von Abdelaziz’ Komplott gewesen, Zidana und ihre giftige Brut aus dem Weg zu räumen, und andererseits von dem Wunsch seines Onkels inspiriert, mich als Lustknabe in seinem Haus einzusperren. Doch da all das nichts mit den Befehlen des Sultans bezüglich Informationen zu der Londoner Gesandtschaft zu tun hat, wird es als leeres Geschwätz abgetan, und der Mann, der mir davon berichtet, entschuldigt sich
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