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Sandrine

Sandrine

Titel: Sandrine
Autoren: Iris Berg
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    Kalifornien. Das scheinbar ewige schöne Wetter. Es war meine zweite Heimat geworden und ist es heute noch. Vielleicht ist ja mein positiver Eindruck von diesem amerikanischen Bundesstaat übertrieben, doch wen wundert es, denn ich bin ja jedes Jahr nur drei Monate von insgesamt zwölf Monaten dort. Dabei fühle ich mich jedesmal, als würde ich ein Doppelleben führen. Bin ich in Deutschland, fühle ich mich natürlich als Deutsche, aber bin ich "drüben", werde ich zu einer Art Einheimischen. Dazu tragen auch die Menschen bei, die mir dort begegnen. Sie haben mich von Anfang an wie ihresgleichen behandelt. Dabei ist mein Ziel jedesmal ein Ort, der zurecht als hinterstes Provinznest bezeichnet werden könnte.
    Stockkonservativ! Das war jedenfalls mein erster Eindruck. Aber die Menschen waren freundlich - und vorurteilsfrei. Niemand amüsierte sich damals über mein schlechtes Englisch, das ich seit meiner Schulzeit leider nicht wieder aufgefrischt hatte. Sie taten so, als sei ich überhaupt nicht neu, sondern irgendwie... eine Rückkehrerin.
    Ich dachte mir zunächst, es hinge mit meinem Mann zusammen, den ich damals zum ersten Mal hierher begleitete. Er war ja jedes Jahr hier gewesen, schon vorher. Ich hatte nicht mitkommen können, wegen den Kindern. Aber die waren ja jetzt leider (oder gottlob?) aus dem Haus. Auch wenn sie immer noch so taten, als würde es ohne Mutter überhaupt nicht gehen. Zumindest, wenn sie Geld oder Hilfe brauchten, nicht wenn es darum ging, ihnen Ratschläge zu einer - in meinen Augen - verbesserten Lebensführung zu erteilen. Das wiederum hielten sie für eine unbotmäßige Einmischung in ihre persönlichen Angelegenheiten.
    Nun gut, ich ging zum ersten Mal mit meinem Mann nach Kalifornien, weil ich mich gerade deswegen über meine Kinder mal wieder ordentlich geärgert hatte. Eine Art Trotzreaktion: Ihr braucht mich nur, wenn ich spendabel bin? Dann könnt ihr mich mal... Naja, ich trat jedenfalls die Flucht nach vorn an und wollte damit eine Art optischen Schlußstrich ziehen unter mein bisheriges Dasein, bei dem ich fast ausschließlich für die Familie da gewesen war.
    Ehrlich gesagt, ich hatte ja immer schon den (zwar arg unterdrückten) Verdacht gehegt, mein Mann habe ein doppeltes Verhältnis: Sozusagen seine Frau für Deutschland und eine Geliebte für Kalifornien. Deshalb war ich entsprechend mißtrauisch bei meinem ersten Hiersein. Aber dieser Verdacht erwies sich als unbegründet. Zumindest gab es keinerlei Anhaltspunkte für mich. Und mein Mann hatte auch absolut nichts dagegen gehabt, mich mitzunehmen. Ganz im Gegenteil.... Auch wenn er mich vorgewarnt hatte, daß er "drüben"
    noch weniger Zeit für mich hätte als daheim in Deutschland. Denn er war ja nicht zu seinem Vergnügen dort, sondern beruflich.
    Ich akzeptierte es mit gemischten Gefühlen. Dabei beruhigte ich mich mit dem Satz: "Du wirst die drei Monate schon rumkriegen - irgendwie!"
    Und dann diese positive Überraschung. Diese Offenheit gegenüber mir als Fremder. Ich fühlte mich wohl hier, von der ersten Minute an. Auch wenn nicht alles so rosig war, wie es erschien. Denn in diesem so absolut konservativ und puritanisch erscheinenden Kaff... Ja, da gingen Dinge vor sich, die niemand auch nur erahnen konnte. Es sei denn, man wollte nur dem äußeren Schein glauben und nicht jemandem mit Namen Sandrine, die sich als absolute Insiderin ausgab in allen Dingen, die es hinter den Kulissen und vor allem im Intimleben von halb Kalifornien gab...
    Copyright 2001 by readersplanet

2
    Ich lernte Sandrine auf der ersten Party kennen, die ich hier besuchte. Eigentlich war mein Mann eingeladen - allein. Erst als er darauf hinwies, diesmal seine Frau von Deutschland mitgebracht zu haben, war die Einladung erweitert worden.
    So richtig begriffen hatte ich nicht, wie das alles zusammenhing. Soll heißen: Wie denn die Gastgeber mit meinem Mann standen. Kollegen waren sie anscheinend nicht. Aber hier schien sowieso jeder jeden zu kennen, und mein Mann bildete da keine Ausnahme.
    Nein, ich will den wahren Namen dieses kalifornischen Ortes nicht verraten. Sagen wir mal aus juristischen Gründen. Sonst gerate ich am Ende noch in Beweisnot bei allem, was ich hier widergeben werde. Was würde es mir letztlich nützen, wenn ich darauf hinweisen würde, daß es ja keine persönlichen Erfahrungen sind, sondern nur eine Weitergabe von angeblich höchst persönlichen Erfahrungen einer Frau mit Namen Sandrine? Also erfinde ich hier und
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