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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Autoren: Jane Johnson
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durch die schmutzigen Gassen der Medina zum funduq am Fluss, wo uns Pferde erwarten. Doch kaum sind wir über die Brücke hinter der Universitätsmauer, als eine Hand an meinem Burnus zupft. Ich blicke hinab.
    Auf dem Boden kauert ein schrecklich entstellter Bettler, neben ihm liegt ein raues Stück Stoff mit den wenigen Almosen, die er gesammelt hat. Lepra oder irgendeine andere üble Krankheit hat ihm die Extremitäten zerfressen – Nase, Lippen und fast alle Finger und Zehen. Auch ein Auge hat sie ihm genommen, und das, was man von seiner Haut sieht, ist von schlimmen Falten gezeichnet. Ich kann mich nicht entsinnen, jemals etwas so Grässliches gesehen zu haben. »Salaam alaikum« , sage ich leise und suche in meiner Geldbörse nach einigen Münzen für die arme Seele, doch er zieht noch heftiger an meinem Umhang.
    »Nss-Nss …«
    »Er scheint Euch zu kennen«, sagt Nathaniel, während er den Bettler einigermaßen entsetzt betrachtet. Nicht einmal in London begegnet man derart abstoßenden und erbärmlichen Kreaturen.
    Die Erkenntnis dämmert mir so langsam wie der Tag im Winter. Es ist der Großwesir. Besser gesagt das, was von ihm übrig blieb, nachdem das kräftigste Maultier in den Stallungen des Sultans ihn meilenweit über den steinigen Boden geschleift hat.
    »Bei Maleeo … Abdelaziz.«
    Was von dem Mann übrig ist, der mich kastrieren ließ, lächelt mich schaurig an. Er hat keine Zähne mehr, seine Zunge ist nur noch ein Stumpf, und dann versucht er, sich auf die verstümmelten Beine zu stellen, sackt aber gleich wieder zusammen.
    Eigentlich sollte ich bittere Genugtuung empfinden beim Anblick meines verstümmelten Peinigers, doch ich fühle nur Mitleid. Aus der Tasche an meiner Schulter nehme ich ein kleines Fläschchen mit Nathaniels Elixier und werfe es dem Bettler in den Schoß. »Du hast alles, was dir widerfahren ist, verdient«, sage ich entschieden. »Trotzdem weiß ich, was es heißt, verstümmelt zu sein.« Dann gehe ich meines Weges, während er die Flasche mit der goldenen Flüssigkeit verwirrt untersucht. Bestimmt glaubt er, es sei ein grausamer Trick. Wahrscheinlich wird er sie wegwerfen. Und ich denke, nun, wenn er das tut, ist es seine Sache.
    Zidana und ich mustern uns misstrauisch durch die Schwaden von Weihrauch, die aus dem Messingbecken aufsteigen. Es ist höllisch heiß im Raum, auch ohne das Feuer.
    »Du hast dich verändert«, sagt sie.
    »Ihr auch.« Es stimmt. Sie sieht ganz anders aus als das letzte Mal, dass ich sie sah. Nicht weniger massig, vielleicht sogar eher mehr, doch macht sie nicht mehr den Eindruck, als würde sie von ihrem Gewicht erdrückt, im Gegenteil, sie wirkt kräftig und voller Leben. Ironischerweise denke ich, dass sie genau das ist. Voller Leben. Trotz ihres Alters, denn mittlerweile muss sie an die fünfzig sein. Doktor Friedrich glaubt, dass sie mit Zwillingen schwanger ist, was in diesem Land als Inbegriff des Glücks gilt. Als sie es stolz verkündet, wäre mir fast ein Stöhnen entfahren. Noch mehr Ungeheuer für diese Welt! Trotzdem beglückwünsche ich sie.
    Sie geht um mich herum. »Kein Sklavenring mehr?«
    »Nein.«
    »Und auch kein Sklavenname?«
    »Ich heiße jetzt Akuji.«
    »Tot und lebendig.« Sie grinst. »Nicht gerade mohammedanisch.«
    Ich zucke die Achseln. »Das ist mein Name.«
    »Und hast du den Alchemisten mitgebracht?«
    »Er ist hier in Meknès.«
    »Du hast gut daran getan, ihn für mich ausfindig zu machen. Sein Elixier ist wirklich ein Wunder. Obwohl ich mich von Makarim leider trennen musste. Nachdem sie das Zeug getrunken hatte, verliebte sich Zidan in sie. Das war eine unhaltbare Situation, schließlich war sie meine Sklavin.« Ihre Augen leuchten. »Wir haben noch Großes vor, er und ich.«
    Mir war zu Ohren gekommen, dass man Makarims Leiche mit Würgemalen am Hals gefunden hatte, doch natürlich wagt es niemand, Zidana zu bezichtigen.
    »Er wird nur unter zwei Bedingungen für Euch arbeiten. Erstens, er wird nicht im Palast wohnen, sondern sich ein eigenes Haus in Fès nehmen, und zweitens, dass Ihr seine Arbeit nicht gegen andere verwenden dürft.«
    Ich rechne mit einem Wutausbruch, doch sie zieht nur einen Schmollmund. »Und wo bleibt dann der ganze Spaß?«
    »Habt Ihr den Weißen Schwan getötet?« Ich hatte sie nicht so direkt fragen wollen, doch plötzlich will ich es wissen.
    Sie blickt mich verwundert an. »Die verrückte Engländerin? Hast du den Verstand verloren, Nus-Nus-Nicht-Mehr? Der Weiße Schwan ist
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