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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Autoren: Jane Johnson
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nicht tot, er ist nur wahnsinnig geworden und weggesperrt.«
    »Aber Makarim hat mir …«
    Ich versetze mich zurück in den schrecklichen Augenblick unter den Kolonnaden, als die Sonne zwischen die Säulen fiel und ich die Ameisenprozession beobachtete. Was hatte Makarim genau gesagt? Die »Ruhr« – eine höfliche Umschreibung für Zidanas Gifte – habe eine lange Reihe von Opfern gefordert, und dann war Alys’ Name gefallen, und ich hatte nicht mehr hingehört. Da ich mit dem Schlimmsten rechnete, hörte ich das Schlimmste und akzeptierte es sofort. Tot und lebendig? Eher lebendig und dumm. Ich bin einfach zu dumm für das Leben.
    »Sie wohnt im Kleinen Palast am Stadtrand. Nachdem ihr der Kleine so grausam genommen wurde, verlor das arme Ding den Verstand, und Ismail konnte sie nicht mehr ertragen, deshalb hat er sie dort untergebracht.« Zidana spricht, als hätte sie mit Momos vermeintlichem »Tod« nicht das Geringste zu tun. Vielleicht hat sie es sich mittlerweile selbst eingeredet.
    Ich spüre, wie eine wilde Freude mich überwältigt, wie der Keim einer unerträglichen Hoffnung, und ich muss mich umdrehen, bevor Zidana es merkt. Doch ihre schwarzen Augen fixieren mich, ohne zu blinzeln.
    »Ich habe dich in der Löwengrube gesehen«, sagt sie fast bewundernd. »Ich sah den Krieger in dir.« Wenn sie lächelt, erhascht man einen kurzen Blick auf das Lobi-Mädchen, das sie vor so langer Zeit einmal war.
    Doch die Illusion verfliegt bald. Sie durchquert das Zimmer und kommt mit einer geschnitzten Holzkiste zu dem Messingbecken zurück. Sie nimmt eine kleine, mit Edelsteinen geschmückte Fetischpuppe und eine weitere winzige mit blauen Perlen als Augen aus der Kiste und wirft sie in die Glut, wo sie zischend in Rauch aufgehen. »Beide tot«, erklärt sie befriedigt. Dann hält sie eine dritte Puppe hoch, ganz in Weiß, mit Maiskolbenfasern als blondes Haar. »So gut wie«, sagt sie gleichgültig, und dann wandert auch sie ins Feuer. Schließlich nimmt sie eine Puppe aus schwarzem Ton aus der Kiste, deren weiße Augen genauso aufgerissen sind wie meine jetzt, da ich mich an die teuflische Tür in der Brust und das, was ich darin sah, erinnere. »Sollen wir nachsehen, ob sie wieder gewachsen sind?«, fragt sie spöttisch und zupft am Saum seines Gewands. Als sie meinen Ausdruck sieht, prustet sie los. »Ach, armer Akuji, immer noch so leicht zu erschrecken wie der Sklave Nus-Nus.« Und dann wirft sie auch diese Puppe ins Feuer.
    Der Kleine Palast ist ein friedliches Fleckchen Erde, umgeben von einem Garten mit Zitronenbäumen, grünen Olivenbäumen und Mauern, die von Bougainvillea überwuchert sind. In den Schatten räkeln sich schlitzäugige Katzen. Während ich schnellen Schrittes gehe, denke ich die ganze Zeit, dass sie ihre Rolle vielleicht zu gut gespielt hat. Vielleicht ist sie ja wirklich wahnsinnig geworden. Doch dann übermannt mich erneut die Euphorie, und ich vertreibe die dunklen Gedanken. Nach allem, was wir durchgemacht haben, kann ich nicht glauben, dass das, was im Buch des Schicksals geschrieben steht, so grausam sein kann.
    Mamass öffnet mir das Tor; mit ihrem einfachen Baumwollgewand und dem hijab wirkt sie sehr erwachsen. Überrascht starrt sie mich an; die Uniform verwirrt sie. Als ich grinse, schreit sie vor Freude auf und umarmt mich wie ein Kind, dann besinnt sie sich und fragt mich feierlich nach meiner Gesundheit und meinem Wohlergehen.
    Der Freudenschrei hat Aufmerksamkeit geweckt. Im dunklen Gang hinter ihr bewegt sich etwas, und plötzlich sagt eine Stimme: »Du siehst so anders aus … und trotzdem, trotzdem bist du es!«
    Mamass senkt den Kopf und stiehlt sich grinsend davon, Alys und ich stehen uns einen langen Augenblick von Angesicht zu Angesicht gegenüber und starren uns an. Als ich sie an mich ziehe, fühle ich, wie dünn sie ist, zerbrechlich wie ein Vogel. Aber ich spüre auch die Kraft in ihr, eine außergewöhnliche, stählerne Kraft.
    »Er ist in Sicherheit, es geht ihm gut, und er wartet auf dich«, flüstere ich ihr schließlich ins Haar.
    Sie hebt das Gesicht. Es ist feucht von Tränen. Nus-Nus hätte gezögert, doch Akujis Hand erhebt sich und wischt ihr sanft die Tränen ab. Sie legt ihre Hand auf die meine und hebt sie zum Mund. Ihre Lippen brennen auf meiner Handfläche. Ich spüre ihren Atem auf meiner Haut. »Ich dachte, du würdest nie mehr zurückkehren«, sagt sie, und ich erinnere mich an das letzte Mal, als sie mir diese Worte sagte, und an alles, was
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