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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten
Autoren: Manda Scott
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natürliche Vertiefungen. Der erst kürzlich gefallene Regen hatte sie sauber ausgewaschen, und nun waren sie randvoll gefüllt mit frischem Wasser.
    Weiter drinnen in der Höhle sickerte durch die Ritzen in der sich turmhoch wölbenden Decke noch immer das graue Tageslicht herein, der Himmel aber war hier nicht mehr so ohne weiteres zu erspähen. Kleine Tierskelette lagen auf dem Boden und zersplitterten unter den Schritten der neu Eintretenden, waren zu unfreiwilligen Opfern an die Ahnen und die Götter geworden. An dieser Stelle neigten sich die Felswände nach innen und rückten eng zusammen, so dass der Durchgang zu einem Tunnel wurde und Breacas Tunika an beiden Schultern an dem rauen Felsgestein hängen blieb.
    »Besser, wir bleiben hier stehen.« Der Kurier der Eceni konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Ängstlich zupfte er Breaca am Ärmel.
    »Noch nicht. Da vorne macht der Gang eine Biegung und führt in eine Kammer hinab, durch die ein Bach läuft. Dort können wir Rast machen, und du kannst von dem Wasser trinken. Du brauchst es.«
    Der Eceni jedoch hielt sie weiterhin am Ärmel fest, starrte voller Furcht den Tunnel entlang. Trotz des schwächer werdenden Lichts sah Breaca, wie er die Augen aufriss und das Weiß seiner Augäpfel leuchtete. »Bist du schon einmal hier gewesen?«, fragte er.
    »Nein, aber ich habe von dem Ort gehört.« Sie verriet ihm weder, dass die schlangengleiche Stimme der Ahnen-Träumerin sie mit ihrem Flüsterton Schritt für Schritt tiefer in die Höhle hineinzog, noch dass diese Stimme ihr bereits den Zeitpunkt und die Art und Weise seines Todes vorhergesagt hatte.
    Die Kammer, die sie kurze Zeit später betraten, war zu weitläufig, als dass Breaca sogleich ihren Schnitt hätte ausmachen können, und ohnehin herrschte in der Höhle vollkommene Dunkelheit. Die Bodicea arbeitete sich durch bloßes Tasten voran, kauerte sich schließlich auf den Boden und entzündete ein Feuer. Rotgelbe Schatten lockten Monster aus der Dunkelheit hervor und warfen geisterhafte Flammen über den schmalen Fluss, der durch die nördliche Ecke der Höhle floss. Das Echo des Wasserrauschens ließ die Stille nur noch greifbarer erscheinen. Doch selbst dieses Geräusch war noch wesentlich angenehmer als das zischende Flüstern der Ahnin.
    Am Ufer des Baches kümmerte Breaca sich um den sterbenden Kurier. Auf einem flachen Stein faltete sie ihren Umhang und den seinen zusammen und legte den Eceni darauf wie auf einem Bett nieder. Er hatte seinen eigenen Wasserschlauch dabei, der jedoch schon lange leer war, und Breaca füllte den Schlauch und ließ den Sterbenden trinken. Anschließend wusch sie ihm mit dem, was er übrig gelassen hatte, Gesicht, Hals und Hände.
    »Das solltest du besser nicht tun«, sagte er, aber nicht mehr so eindringlich wie zuvor. »Wir waren zu dritt; zwei Brüder und eine Schwester, und wir alle trugen dieselbe Nachricht mit uns. Wir waren erst zwei Nächte lang geritten, als die rote Ruhr uns erwischte. Schneller, als ein Husten sich im Winter in einem Rundhaus ausbreitet, springt die Ruhr vom einen auf den anderen über.«
    »Wenn ich tatsächlich sterben sollte, dann ist dieser Ort dafür genauso geeignet wie jeder andere auch«, widersprach Breaca. »Außerdem können uns hier wenigstens nicht die Inquisitoren der Legionen aufspüren und uns zu Tode quälen, um uns damit unser Wissen zu entlocken. Und wenn ich überleben sollte, dann kannst du immerhin in dem Gefühl der sicheren Umsorgtheit ruhen. Aber was ist mit deinem Bruder und deiner Schwester passiert?«
    »Ich weiß es nicht. Als wir auf die Legionen trafen, haben wir uns getrennt und verschiedene Wege eingeschlagen. Wir alle hatten den Auftrag erhalten, nach Mona zu reiten. Bei drei Kurieren bestand die Hoffnung, dass wenigstens einer von uns überleben würde, um die Fähre zu erreichen und unsere Nachricht zu überbringen.«
    Frag ihn nach seiner Nachricht. Die Stimme der Ahnin hallte von den Wänden wider. Hier, an dem ihr gewidmeten Ruheort, klang ihre Stimme plötzlich deutlich lauter als die des Sterbenden. »Wenn er seinen Frieden gefunden hat.« Breaca sprach ihre Antwort laut aus, doch der Kurier war dem Tode schon viel zu nahe, als dass er Breacas Worte noch wahrgenommen hätte.
    Auf dem Schlachtfeld hatte sie sich schon unzählige Male um die Verwundeten und Sterbenden gekümmert, doch dabei waren nur selten noch andere Krankheiten hinzugekommen, so dass es jetzt einige Zeit dauerte, um alles zu tun,
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