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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten
Autoren: Manda Scott
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solltest mich nicht berühren, sonst steckst du dich an.«
    »Mag sein, aber wenn, dann ist dies jetzt ohnehin schon geschehen.« Breaca schob ihren unverletzten Arm unter seinen Achseln hindurch und zog den Fremden auf die Beine. Sie hätte ihm auch gern etwas Wasser gegeben, doch sie hatte nichts bei sich. Stattdessen drängte sie den kranken Mann mit der Schulter gegen den Sattel seines Pferdes. Er schwankte leicht, schaffte es jedoch, sich an das Tier anzulehnen und Halt zu finden.
    Sein Akzent, sein Pferd und selbst das Webmuster seiner Tunika wiesen ihn allesamt als nördlichen Eceni aus. Eine Tätowierung in blauer Tinte etwas unterhalb seines Schlüsselbeins zeigte das Bild eines Falken, von dem eine Verbindungslinie zu einem galoppierenden Pferd verlief. Breaca ließ ihre Fingerspitze an der Linie entlang von dem Pferd zu dem Falken hinübergleiten und spürte das feine Bernsteinkörnchen, das etwas unterhalb der Flügelspitze des Falken in der Haut vergraben lag und die Echtheit der Tätowierung verriet.
    »Kommst du von Efnís?«, fragte sie. Als er nickte, fuhr sie fort: »Warum hast du mich verfolgt?«
    »Ich habe dich nicht verfolgt. Aber wenn mich die Ruhr nicht vorher töten sollte, so möchte ich meine Nachricht schon gerne von einem lebendigen Mund in ein lebendiges Ohr übermitteln, und in den Bergen wimmelt es nun einmal vor lauter Römern. Ich hatte versucht, die Wälder nahe der Küste zu erreichen, um dort Schutz zu finden, ehe ich nach Mona weiterreise.«
    Breaca schüttelte den Kopf. »Die wirst du aber nicht mehr rechtzeitig erreichen. In der Nähe der Küste sind die Soldaten der fünften Kohorte stationiert. Und die dritte Kohorte hat letzte Nacht vier Männer verloren: Seit der Morgendämmerung brennen also bereits die Signalfeuer und alarmieren sämtliche anderen Legionäre. Sie werden die Wälder längst umstellt haben. Aber ich kenne noch einen anderen Ort, an dem wir möglicherweise in Sicherheit wären, falls man uns erlaubt, einzutreten. Schaffst du es, noch ungefähr zwei Dutzend Speerwürfe weit zu reiten?«
    »Wenn am Ende ein sicherer Unterschlupf wartet, dann ja.«
     
    Der Höhleneingang war ein vertikaler Spalt in der Felswand und von den Göttern so eingefügt, dass er unsichtbar war, ausgenommen, man näherte sich ihm exakt aus südöstlicher Richtung. Der hundsgroße Felsbrocken, den die Ahnen dort hingerollt hatten, um den Eingang zu bewachen, war von feuchtem Moos überwuchert und wurde verborgen von den hohen Gräsern, die überall um ihn herum gewachsen waren. Wären die Zeiten noch die alten, so hätte man ihn zu jedem Vollmond, wenn die Ahnen geehrt wurden, sauber geschrubbt, und die spiralförmigen Muster und Zeichen, die auf seine Oberfläche eingemeißelt worden waren, wären kräftig mit Asche, rotem Ocker und weißem Kalk, vermischt mit Lehmerde, nachgezeichnet worden. In der düsteren neuen Welt der römischen Besatzung jedoch waren jene, die diese Arbeiten hätten verrichten sollen, entweder tot, oder sie hatten auf Mona Zuflucht genommen. Solcherart vernachlässigt waren der Wächterstein und der dahinter liegende Höhleneingang mit ihrer Umgebung verwachsen.
    Breaca war erst einmal an dieser Höhle vorbeigekommen, und das war im vergangenen Winter gewesen. Dennoch hatte sie damals gesehen, was anderen vielleicht nicht aufgefallen wäre, und hatte sich die genaue Lage der Höhle eingeprägt, wenn auch ohne die ernsthafte Absicht, sie jemals zu betreten. Und womöglich hätte sie es auch jetzt nicht versucht, hätte ihre verzweifelte Lage sie nicht dazu gezwungen; die Gefahren, die darin lauerten, einen solchen Ort ohne einen Träumer zu betreten, waren wesentlich größer als das Risiko, von den Römern gefangen genommen oder getötet zu werden.
    Während sie allein neben dem Hundsstein stand, sprach Breaca mit klopfendem Herzen: »Ich grüße die älteste und größte aller Träumerinnen der Ahnen. Ich schwöre, dass ich deinen Ruheort, wenn ich ihn verlasse, wieder reinigen werde. Im Augenblick sind nur die Gräser mein Schutz, so wie sie auch dich beschützt haben. Wirst du mir erlauben, einzutreten und noch jemanden mitzubringen?«
    Eine Stimme jenseits menschlicher Hörweite fragte: Wer bittet darum?
    »Ich bitte darum, Breaca nic Graine mac Eburovic, einst eine Eceni, einst eine Kriegerin von Mona, die nun unter der schwarzen Feder der Stammeslosen jagt. Mein Zeichen ist der Schlangenspeer, jenes Zeichen, das vor meiner Zeit das deine gewesen war und
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