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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten
Autoren: Manda Scott
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das abermals das deine sein wird, wenn ich wieder gegangen bin.«
    Die Träumerin der Ahnen erwiderte: So. Ich bleibe also bestehen, während du wieder gehen musst. Es ist gut, dass du dich daran erinnerst. Bist du gekommen, um meine Unterstützung bei deinem Rachefeldzug zu erbitten, so wie du es schon einmal getan hast?
    »Nein.«
    Sie war die Bodicea, die tausende von Kriegern in die Schlacht führte, und dennoch waren ihre Handflächen schweißnass. Sie wischte sie an ihrer Tunika ab. Es war wesentlich leichter, in Regen und Dunkelheit und mit nichts als einem Messer und einem Säckchen voller Flusskiesel bewaffnet den Legionen gegenüberzutreten, als bei hellem Tageslicht mit dem gähnenden Eingang einer Höhle zu sprechen. Sie erinnerte sich noch gut an Airmid und an die Angst in ihrer Stimme, als diese das letzte Mal der Träumerin der Ahnen gegenübergetreten war: ausgerechnet Airmid, die doch für gewöhnlich nichts und niemanden fürchtete.
    Breaca schaute zurück, den Pfad hinunter, wo außer Hörweite der sterbende Kurier wartete. Als sie abgesessen hatte, war er ihrem Beispiel gefolgt und hatte sich dann kraftlos gegen sein Pferd gelehnt. Während sie ihn nun beobachtete, sank er langsam auf die Knie und kippte dann seitlich zu Boden, um dort zusammengerollt wie ein Kind liegen zu bleiben und nur noch mit kurzen, stoßweisen Zügen zu atmen.
    Wenn sie allein gewesen wäre, hätte sie einfach auf ihr Glück vertraut, den Legionen ausweichen zu können, und wäre draußen im Freien geblieben. Wenn sie noch eine Weile wartete, dann würde sie zweifellos schon bald wieder allein sein, doch der Sterbende war ein Eceni. Er kam von Efnís und hatte sein Leben dafür gegeben, um eine Nachricht nach Mona zu überbringen. Und wenn sie auch nur ein Fünkchen Ehre im Leibe hatte, konnte sie ihn jetzt nicht einfach hier auf einem Bergpfad zurücklassen, in Reichweite der Legionen, wenn doch unmittelbar vor ihnen ein Unterschlupf lag.
    Breaca berührte kurz den Hundsfelsen, und zwar sowohl, um Mut zu fassen, als auch, damit er ihr Glück brächte, und sagte: »Wir sind zu zweit, eine Verwundete und ein von der roten Ruhr Befallener. Wir bitten lediglich darum, in deinen Schutz eintreten zu dürfen, und bringen dabei unsere Pferde mit, sonst nichts. Die Römer, die uns nach dem Leben trachten, sind dicht hinter uns; ich habe gesehen, wie sie in das Tal einritten, als wir die Berge erkletterten. Ich bin der Überzeugung, dass ihre Fährtenleser nicht an deinen Ruheort geführt werden und dass die Legionssoldaten, selbst wenn sie hierher gelangen sollten, es nicht wagen würden, die Grenze zu überschreiten. Selbst sie erkennen einen heiligen Ort, wenn sie ihn sehen.«
    Und wenn sie schon keinen heiligen Ort erkennen, dann aber zumindest einen, der schlichtweg gefährlich ist. Das Lachen der Ahnin klang wie das Gleiten einer Schlange über Blätter im Winter, ein Geräusch, das alle Ruhe und selbst die letzte Hoffnung auf Frieden auslöschte. Sie wissen, dass ich in ihre Träume eindringen werde, im Wachen wie im Schlafen, und sie werden sterben wie ihr Gouverneur, langsam und dem Wahnsinn anheim gefallen. Ihre Furcht vor dir wird womöglich nicht ausreichen, damit sie das Land verlassen, Breaca einst von den Eceni, aber mich fürchten sie genügend, um mir geheime Opfer darzubringen, die meinen Zorn besänftigen sollen.
    Breaca hatte die Getreidebündel und die zerbrochenen Weinflaschen durchaus wahrgenommen und einmal, als sie die Pferde den Pfad hinaufgeführt hatte, sogar den verwesenden Kopf einer Damhirschkuh. Sie hatte jedoch nicht gewusst, dass es sich dabei um Opfergaben für die Träumerin des Schlangenspeers gehandelt hatte, und mochte dem auch jetzt noch nicht so ganz Glauben schenken. Sie sagte jedoch nichts, sondern wartete nur schweigend. Und in dieser Wartezeit schien ein ganzes Leben zu verstreichen. Doch dann, endlich: Ja, ihr dürft eintreten. Ich, die euch ebenso hätte töten können, gewähre euch Eintritt.
     
    In der Höhle war es keineswegs so stockfinster, wie Breaca eigentlich erwartet hatte, und bereitwillig trotteten die Pferde durch den Eingang. Sie wurden in einer Kammer untergebracht, die etwa drei Speerlängen durchmaß und in deren Decke sich eine Öffnung befand, durch die man den Himmel sehen konnte. Viele Schichten von Vogelleim überzogen die Wände mit weißen Streifen und klebten am Boden fest. Sie dämpften den Hall der Pferdehufe. Im Felsgestein befanden sich einige kleine,
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