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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten
Autoren: Manda Scott
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bist du dann hier, mit der schwarzen Feder der Stammeslosen im Haar, und jagst allein in den von Rom besetzten Gebieten?«
    Mit diesem Zornesausbruch von ihm hatte sie nicht gerechnet, und auch nicht mit der plötzlichen Kraft, die ihm der Zorn verlieh; er hatte doch keine Ahnung von den seelenentblößenden Zusammentreffen zwischen der Bodicea und jenen Träumern, denen sie diente, von den erbitterten Kämpfen, die sie mit ihren Freunden austrug und bei denen Worte die einzigen Waffen waren. Er versuchte gar nicht erst, den Vorwurf, der in seiner Stimme mitschwang, oder den Schmerz in seinen Augen zu verbergen. Nach einem Moment ließ er sich wieder zurücksinken. Der Blick jedoch, mit dem er sie ansah - durchbohrend und vorwurfsvoll -, hätte auch der von mac Calma oder von Dubornos oder Ardacos oder von einem ihrer Kinder sein können.
    Breaca stand auf und legte eine Hand voll Heidekrautwurzeln in das Feuer. Grün und bläulich violett züngelten neue Flammen empor, dort, wo die Erde noch vor dem Holz verbrannte. Sie hielt den Blick starr auf die leuchtenden Farben gerichtet und nicht auf den Kurier, während sie erwiderte: »Ich habe Römer getötet, wie du ja bereits gesehen hast. Die vier Toten aus der dritten Kohorte waren meine Opfer, und in der vorletzten Nacht noch einmal zwei.«
    Der Kurier war ein intelligenter Mann. Er musterte Breaca einen Moment lang und sagte dann: »Du gehst also allein auf die Jagd, weil das Risiko zu groß ist, um auch andere dieser Gefahr auszusetzen. Und wenn Briga irgendwann zu der Ansicht gelangen sollte, dass es des Mordens nun genug ist, wird sie dich töten. Halten die alten Träumer von Mona das etwa für ein geringes Risiko?«
    »Ganz und gar nicht.« Breaca lächelte und überraschte sie damit beide. »Aber es liegt nicht in ihrer Macht, es mir zu verbieten. Mein Leben gehört nur mir allein, und ich denke, es ist das Risiko wert. Es ist schon fast Winter; die Zeit des Kämpfens ist vorüber, doch die Legionen müssen sich noch immer weit über die Grenzen ihrer Festungsanlagen hinauswagen, um auf Raubzüge für Verpflegung und Feuerholz zu gehen. Mit vier Männern, die in der Nacht zu Tode kommen, fügt man ihren Gemütern größeren Schaden zu, als wenn vierzig von ihnen in offenen Kriegshandlungen auf dem Schlachtfeld sterben. Jeder einzelne Todesfall bringt sie der Fahnenflucht ein Stückchen näher, und diejenigen, die dennoch hier bleiben, träumen von der Zeit, wenn sie endlich wieder abziehen dürfen und nach Hause nach Rom segeln. Eine Armee, die auf ein Schlachtfeld marschiert, ohne mit dem Herzen dabei zu sein, kämpft sich doch bloß der Niederlage entgegen, und das weißt auch du.«
    »Das weiß ich, in der Tat. Und ein Volk ohne die Führung der Götter kämpft überhaupt nicht.« Der schon bekannte Zorn und eine Angst, die noch aus vergangenen Zeiten stammte, flackerten auf. Doch sie beide verblassten rasch wieder und ließen nichts als die tödliche Erschöpfung zurück, die den Kurier schon umschlungen hatte, als er das erste Mal von seinem Pferd gefallen war.
    Vorsichtig entgegnete Breaca: »Aber die Eceni sind doch gar nicht führerlos.«
    »Jetzt schon.«
    Seine Lebenskräfte verließen ihn immer schneller; sie beide konnten es fühlen. Unausgesprochene Worte lasteten auf ihnen, sogen den Sauerstoff aus der Luft. Breaca wählte den Weg, der den geringsten Schaden anrichten würde, und fragte: »Kannst du mir sagen, inwiefern dein Volk und das meine führerlos sein sollen?«
    »Ich weiß es nicht. Denn wenn ich dir das verrate, könnte es uns beide töten.«
    Er sammelte sich, und dann, trotz Breacas Protest, stemmte er sich in eine sitzende Position hoch. Sein Blick schien ihr Gesicht tief in sich aufnehmen zu wollen, wanderte anschließend abwärts zu der sich langsam rötenden Wunde an ihrem Arm. Mittlerweile zeigte sich, dass die Speerspitze eben doch nicht ganz so sauber gewesen war. Das Fleisch, das die klaffende Wunde umgab, aus der noch immer Blut sickerte, hatte sich entzündet, war gerötet und begann, einen fauligen Geruch auszuströmen. Er streckte die Hand aus, um ihren Arm zu berühren, und sie beide spürten, wie ihr Fleisch unter seinen Fingern zusammenzuckte.
    »Vielleicht war Efnís ja klüger, als wir beide ahnen konnten, und du stirbst so oder so«, sagte er.
    Breaca schöpfte etwas Wasser über die Wunde. »Vielleicht. Ich habe mich dem Tode zwar schon erheblich näher gefühlt als jetzt im Augenblick, aber man sagt ja auch, dass
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