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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten
Autoren: Manda Scott
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stehenden Fährtenleser der Coritani ihre Spuren entdeckten.
    Wenn sie bereits die Bergkuppen erklommen hätte, hätte sie den Blick nach Westen schweifen lassen können, vorbei an einer Kette von weiteren Bergen, und hätte dann über die Meerenge hinweg bis nach Mona gesehen. Doch sie schlug einen anderen Weg ein. Mit jedem der gedämpften Schritte ihrer Stute hallte in ihrem Kopf auf äußerst beunruhigende Weise die Warnung des Standartenträgers wider und ließ sich auch nicht zum Schweigen bringen. So wirst du nie siegen, wenn du als Einzelne gegen eine Überzahl kämpfst . Vindex war nicht der Erste, der sie vor den Gefahren und der Sinnlosigkeit eines Kampfes im Alleingang gewarnt hatte - es hatte ihrer bereits viele gegeben. Doch auf der anderen Seite war er auch der Feind, folglich musste sie sich seiner Meinung nicht zwangsläufig gleich anschließen.
    Die Warnungen jener, die sich um sie sorgten, waren da schon deutlich schwerer zu ignorieren. Die Warnungen der Mitglieder des Ältestenrats und der Träumer von Mona, die im Winter, während Breacas langen Phasen der Abwesenheit, über ihre Kinder wachten - und die ihnen noch nicht einmal sagen konnten, wo ihre Mutter sich eigentlich gerade aufhielt. Oder ob ein Standartenträger, der ganz und gar nicht so betrunken gewesen war, wie es vielleicht ausgesehen haben mochte, Breaca nicht bereits getötet hatte.
    Luain mac Calma, das ranghöchste Mitglied des Ältestenrats auf Mona, war der Erste gewesen, der ruhig seine Ansicht verkündet hatte, dass das Leben der Bodicea mehr wert war als die Genugtuung, Rache genommen zu haben für den Tod eines geliebten Mannes. Und es hatten sich Luain noch eine ganze Reihe anderer angeschlossen, die ebenfalls behaupteten, sie zu lieben und nur ihr Bestes zu wollen. Lediglich Airmid, die Träumerin und Seelenverwandte der Bodicea, hatte von Anfang an verstanden, warum Breaca allein auf die Jagd gehen musste. Und nur sie hatte sich niemals, weder öffentlich noch unter vier Augen, gegen die schwarze Feder ausgesprochen, die die Bodicea sich ins Haar flocht, und gegen die winterliche Serie von Tötungen, die sie vorausahnen ließ.
    Airmid lebte auf Mona, und Mona war eine andere Welt. Deshalb entschied Breaca, ihren Blick jetzt nicht zu der Insel hinüberschweifen zu lassen und auch nicht an Mona zu denken oder an die Menschen, die dort lebten.
    Sie ritt weiter bergaufwärts, und der Pfad wurde zunehmend felsiger. Zu beiden Seiten säumte graues Gestein, überzogen von Flechten, die Wegesränder. Nach einer Weile saß Breaca ab und löste die Lederlappen von den Hufen der Stute, damit diese auf den nassen Steinen einen besseren Halt fanden. Der Regen ließ ein wenig nach; er gehörte zur Nacht, nicht aber zum Tage. Am östlichen Horizont begann die dicke Wolkendecke aufzureißen, und die ersten dünnen Strahlen des Sonnenlichts schimmerten hindurch. Mangels eines Verbandes hörte die Wunde an Breacas Arm nur allmählich zu bluten auf, und sie schmerzte auch kaum. Der Offizier, dessen Speer sie getroffen hatte, hatte penibel auf die Sauberkeit seiner Waffen geachtet, wofür Breaca ihm sehr dankbar war.
    Einen halben Tagesritt weiter in Richtung Süden, in jenem Nachtlager, in dem ein Standartenträger, ein Waffenmeister und zwei Unteroffiziere der Zwanzigsten Legion gestorben waren, stieg in einem leicht schiefen Winkel eine dünne Säule schmierigen Rauchs in den Himmel hinauf. Aaskrähen schwangen sich laut krächzend in die Lüfte und begannen, auf den Geruch von brennendem Menschenfleisch zuzuschweben.
     
    Der stämmige, grauhaarige Mann, der tief über den Hals seines Pferdes gebeugt saß und den Eindruck machte, als sei seine ganze Aufmerksamkeit auf den Pfad konzentriert, schien keinen der beiden Wurfsteine bemerkt zu haben, die dicht an seinem Kopf vorbeigesaust und gegen die Felsen geprallt waren. Sein Pferd dagegen, das die beiden Kiesel durchaus wahrgenommen hatte, scheute kurz und brachte seinen Reiter damit aus dem Gleichgewicht. Vergeblich versuchte er, sich noch am Sattel festzuklammern. Allein die Fürsorge seiner Götter bewahrte ihn davor, beim Hinunterfallen mit dem Kopf auf die auf dem Weg liegenden Steine zu schlagen. Ein Polster aus Heidekraut bescherte ihm eine weiche Landung. Dennoch erhob er sich nach dem Sturz nicht, noch nicht einmal, als Breaca herbeigeeilt kam und sich neben ihn kniete.
    »Wo bist du verletzt?«
    Seine trockenen, aufgesprungenen Lippen zuckten. »Ich habe die rote Ruhr. Du
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