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Die Herrin von Rosecliffe

Die Herrin von Rosecliffe

Titel: Die Herrin von Rosecliffe
Autoren: Rexanne Becnel
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Prolog
     
    Whitling Castle, England,
    September 1153
     
    Rhys ap Owain hatte drei Ziele.
    Er wollte England für immer verlassen und in seine heiß geliebte Heimat Wales zurückkehren.
    Er wollte die Engländer, die sich dort seit vielen Jahren als Herren aufspielten - allen voran die Fitz Hughs - vertreiben, damit seine Heimat wieder den Walisern gehörte.
    Im Augenblick wollte er aber nur den riesigen Ritter, der beim Turnier sein Gegner war, aus dem Sattel werfen.
    Seine Lanze war auf den Schild des Mannes gerichtet, etwas links von der Mitte. Die beiden Kampfrösser galoppierten aufeinander zu. Die Zuschauer brüllten, waren völlig außer Rand und Band. Nur noch eine Sekunde ...
    Der Zusammenprall war so heftig, dass Rhys fast aus dem Sattel geschleudert worden wäre. Doch er duckte sich, und die Lanze des Gegners streifte nur an seinem Schild entlang. Seine eigene Lanze hatte hingegen voll getroffen, das spürte und hörte er, noch bevor er sah, dass das Pferd des anderen Mannes scheute.
    Der Kampf war vorüber. Dichte Staubwolken behinderten seine Sicht aber Rhys wusste, dass er wieder einmal gesiegt hatte. In den letzten drei Jahren hatte er 29-mal bei Turnieren gekämpft und war nur 4-mal aus dem Sattel geworfen worden - und während dieser zu Ende gehenden Saison noch kein einziges Mal.
    Sogar sein Ross schien den Sieg zu spüren, denn es tänzelte jetzt fast anmutig, obwohl die Erde unter den schweren Hufen erbebte. Irgendwo hinter ihnen schnaubte der reiterlose Hengst des Gegners, dem jetzt Knappen und Sanitäter zu Hilfe eilten.
    Rhys ritt langsam an der Umzäunung des Turniergeländes entlang, die Lanze triumphierend erhoben. Er war mittlerweile unter verschiedenen Beinamen bekannt: Rhys der Gnadenlose, Rhys der Zornige oder sogar Rhys der Rasende. Das lag daran, dass er nicht nur gewinnen, sondern den Kontrahenten nach Möglichkeit zermalmen, vernichten wollte.
    Ob beim Training, bei genehmigten - und inoffiziellen - Turnieren oder auf dem Schlachtfeld - immer kämpfte er gegen Engländer. Er machte keinen Hehl daraus, dass er sie verabscheute, und in England herrschte kein Mangel an Männern, die sich mit diesem frechen Waliser messen wollten, der als fahrender Ritter seine Talente dem Meistbietenden zur Verfügung stellte.
    Rhys war auf diese Weise viel reicher geworden, als er es sich in der Kindheit jemals erträumt hatte. Doch er brauchte noch mehr Geld, um seine Pläne in die Tat umzusetzen.
    Im Pavillon des Lords stand eine Frau auf, doch durch den schmalen Augenschlitz seines Helms konnte er nicht erkennen, ob es die Gemahlin von Lord Whitling oder dessen Tochter war. jedenfalls hielt sie ein mit weißen Blumen und Bändern durchflochtenes rotes Seidentuch in einer Hand, und er ritt darauf zu, um es abzuholen. Seide und Rosen waren eine symbolische Belohnung für den Sieger des Turniers, aber Rhys legte noch größeren Wert auf die Gold- und Silbermünzen, die er von den unterlegenen Rittern für die Rückgabe ihrer Pferde und Rüstungen erhalten würde.
    Gute Arbeit dachte er, während er vor dem mit Fahnen geschmückten eleganten Pavillon der Herrschaften anhielt. Die Anstrengungen des heutigen Tages würden sich auszahlen ...
    Rhys senkte seine Lanze, und die adlige Dame schlang das Seidentuch um die Spitze der Waffe. Dabei lächelte sie ihm zu - es war die vollbusige Mutter, nicht die hellhäutige Tochter.
    Er nahm den Helm ab, und die Zuschauer klatschten in die Hände, trampelten mit den Füßen und brüllten Beifall. Als der letzte besiegte Ritter von vier Männern auf einer Bahre weggetragen wurde, erschollen hingegen laute Pfiffe und Beschimpfungen.
    »Sir Rhys, ich erkläre Euch zum Sieger der Spiele von Whitling«, verkündete die Dame. Hinter ihr hob Lord Whitling seinen Weinbecher, trank und rülpste laut. Sie ignorierte ihren Gemahl und sah Rhys unverwandt an. »Ihr werdet heute Abend mit uns speisen.« Und später mein Bett teilen, fügten ihre Augen wortlos hinzu.
    Rhys nickte. Die Tochter war hübscher, aber als Jungfrau wurde sie wahrscheinlich streng bewacht. Ihre Mutter besaß dafür sehr viel Erfahrung und hatte offensichtlich ein Auge auf den jungen Waliser geworfen, der bei diesem Turnier sieben englische Ritter bezwungen hatte. Und heute Nacht würde er Lady Whitlings Gemahl die Hörner aufsetzen ...
    Er lächelte der Frau zu, hob die Lanze und ließ das dünne Seidentuch langsam über den Schaft gleiten. Ihre kleinen hungrigen Augen weiteten sich und begannen
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