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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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Eins
    Eine Horde Schnüffler, die sich in 7-A eingenistet hatte, versaute mir den Nachmittag. Sie hatten die Tür mit einer Brechstange aufgebrochen und sich klammheimlich häuslich niedergelassen. Eine Woche lang, bis der Asthmatiker in 9-A sich bei mir über den ätzenden Geruch beschwerte, der durch die Wände drang. Ich warf einen Blick in meine Unterlagen: 7-A stand seit dem 14. Februar leer, seit der Auseinandersetzung zwischen dem Pärchen, das darin gewohnt hatte. Er war mit Pralinen nach Hause gekommen, hatte aber nach Puff gerochen. Deshalb hatte sie ihm den Kiefer mit einer gusseisernen Pfanne brechen müssen. Valentinstag – ein schwarzer Tag für Liebende.
    Im Apartment stank es nach Lösemitteln, Farbspray und Körperausscheidungen. Mit Pfefferspray und Stabtaschenlampe bewaffnet, trat ich ein. Schnüffler sind in der Regel weich in der Birne und leisten keinen Widerstand, doch ein haariger Hüne in Latzhosen fühlte sich wohl auf den Schlips getreten. Er warf mir alles Mögliche an den Kopf. Mit ›Handlanger des Vermieters‹ zum Beispiel lag er gar nicht mal so falsch. Der Schädel des Hünen war groß wie ein Basketball, sein Blick unstet, auf der Suche nach einem festen Punkt. Der Typ brabbelte etwas von Menschenrechten und steuerte auf mich zu, ein Stück galvanisiertes Rohr in der Hand. Aus knapp zwei Metern Entfernung verpasste ich ihm eine Ladung Pfefferspray, die er lediglich mit einem Niesen quittierte.
    »In deinem Fall ist der Begriff Menschenrechte ein Oxymoron«, sagte ich. Daran hatte der Hüne erst einmal zu knabbern. Sein massiger Schädel war knochig, über seinen Augenbrauen saßen Knorpel, dick wie Batteriekabel, und seine wilde Mähne sah aus wie frisch geteert.
    »Oxy … was? Willst du mich verarschen?«, rief er mit sichtlich wachsender Empörung. Er setzte sich erneut in Bewegung. Ich machte einen Schritt zur Seite, wich so seinem Angriff aus und versetzte ihm dabei mit der Taschenlampe einen Schlag auf seine ohnehin schon platte Nase. Anscheinend war er sich der Verletzung nicht bewusst. Zwar schossen ihm Blut und Rotz aus der Nase, doch das störte ihn nicht. Es lenkte ihn eher ab. Das Stück Rohr ausgestreckt, als handele es sich um einen Zauberstab, der mich in einen Kürbis verwandeln sollte, und gleichzeitig verwirrt, dass nichts dergleichen geschah, stand er vor mir. Ich trat zu, traf sein Knie und er ging mit einem Jaulen zu Boden. Seine Kniescheibe war herausgesprungen. Er tastete seinen Unterschenkel ab und ich schlug ein zweites Mal zu; diesmal zog meine Taschenlampe den Kürzeren. Der Reflektorkopf brach entzwei und die Batterien flogen durch die Luft. Der Hüne verdrehte die Augen und verzog die mit silberner Sprayfarbe verfärbten Lippen zu einem entrückten Lächeln. Das Silberlächeln fror ein und er sah aus, als hätte er einen Engel geküsst.
    Das Problem des Hünen war für die anderen Schnüffler nicht existent. Plastiktüten vor den Gesichtern, inhalierten sie Dämpfe. Ich nahm den Geruch von Toluol wahr, einem Lösemittel, das den Zellen der Großhirnrinde und den Lackierungen von Holzoberflächen gleichermaßen effizient den Garaus macht.
    Bei den anderen handelte es sich um vier Männer und drei Frauen, allerdings war die Frage nach dem jeweiligen Geschlecht eine rein akademische, so wie die drauf waren. Ich trieb sie hinaus auf den Parkplatz und rief mit meinem Mobiltelefon die Cops. Damit mir die Schnüffelnasen nicht nervös wurden, ließ ich ihnen die Plastiktüten. Die Cops waren ziemlich angepisst. Mit dem Bodensatz unserer Gesellschaft wollten sie im Grunde nichts zu tun haben. Es war nun mal kein Staat mit der Festnahme von Schnüfflern zu machen. Obendrein verpesteten sie die Streifenwagen.
    Mitleid mit den Cops kam bei mir nicht auf. 7-A sah aus wie ein Schweinestall und das Saubermachen war mein Job. Schließlich bin ich Manager, Hausmeister, Sicherheitskraft und Ratgeber für die vollends Konfusen in einem. Es kostete mich zwei Stunden, alles wieder in Ordnung zu bringen. Einer von den Schnüfflern hatte in die Badewanne geschissen. Ich fühlte mich regelrecht kontaminiert, stellte mich lange unter die heiße Dusche und malte mir aus, wie Wasser und Seife nicht nur Fliegen, Läuse, Pilze und Sackratten wegwuschen, sondern auch den Gestank von Fäkalien und Chemie. Nun hatte ich mir eine Margarita verdient, wenn nicht sogar zwei. Ich warf eine Hand voll Vitaminpillen ein, zog mich an und ging hinüber auf die andere Seite der Mesa Street, ins
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