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Die Sechzigjaehrige und der junge Mann

Die Sechzigjaehrige und der junge Mann

Titel: Die Sechzigjaehrige und der junge Mann
Autoren: Nora Iuga
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beiden Partylöwen, in der Hüfte eingeknickt, da sie aufrecht zu groß waren für eine in die Erde gegrabene Hütte, in die Schlafkammer der Mädchen ein. Der Ingenieur sucht sich die Brünette aus, der Inspektor die Rothaarige. Die Flasche mit dem grünen Likör wanderte von Hand zu Hand. Die Studentinnen versuchten ein etwas intellektuelleres Gespräch anzuknüpfen, kramten in den Schiller’schen und Grillparzer’schen Dramen, beharrten auf der modernen Struktur des Hebbel’schen Theaters und hofften mit der Naivität braver Mädchen, die Männer, deren Hände bereits ungeniert an ihnen herumfuhren, würden sich von ihrer Bildung einschüchtern lassen und die Intelligenz diesen verführerischen Schenkeln vorziehen. Nur ahnten die beiden Intellektuellen von Zagna Vădeni nicht, wie viele Geheimnisse das Gehirn einer Germanistin birgt, also machten sie weiter, unternahmen verzweifelte Anstrengungen, sich auf die schmalen und nicht zu bändigenden Körper zu schwingen, die ihnen auf dem vom Mond übergossenen Bast entglitten. Wir merkten, dass die Sache ernst wurde. Dem Ingenieur gelang es, mich auf das strohgefüllte Kissen zu drücken, und Terry bekam kaum noch Luft unter dem knochigen Körper des Inspektors. Der grüne Blick erwacht, ist ein Hund, der vor mir die Ohren spitzt. Und plötzlich sah ich im Mondschein den Genossen Buruiană aufstehen und hörte ein »Gottverdammte Scheiße«, die binsenverkleideten Lehmwände schluckten es sofort. Dann bemerkte ich dasgrünliche, starre Gesicht meiner Freundin, ihre geschlossenen Lider und den weit geöffneten, nach Luft schnappenden Mund, wie bei einem Fisch im leeren Aquarium. Terry simulierte ihre Herzattacke perfekt. Ich war ihr wirklich dankbar, es war ihr gelungen, den beiden den Wind aus den Segeln zu nehmen, nur mehr krabbelnd verließen sie die Hütte, die sich wie eine riesige Frau mit gespreizten Beinen zum offenen Feld hin öffnete. Anna hatte damals zum ersten Mal gesehen, was für eine außergewöhnliche Schauspielerin Terry war und wie gekonnt sie zu lügen verstand. Seit diesem Vorfall hegte sie eine stille Bewunderung für Terry, zugleich aber hatte sich ein grundloses Unbehagen auf ihrem Gesicht gezeigt, sooft sich ihre Blicke trafen. Seit jenem Tag sah ich mich in ihrer Anwesenheit diese Maske tragen, die mich verriet.
    Der grüne Blick löst sich von meine Augen und läuft wie ein warmer Wassertropfen über meine Nase, ich fühle ihn etwas heißer auf den Lippen, er landet auf dem Kinn, rinnt den Hals abwärts wie ein Kitzeln, kommt an bei der hochgeschlossenen Bluse, wandert abwesend weiter, an den Brüsten vorbei, kommt zu den Armen, hält bei den Händen inne. Den Fingern, den Fingernägeln. Ich gerate in Panik, mir ist, als sähe ich meine geschwollenen Venen zum ersten Mal, wie bläuliche Würmer, und dann die ins Fleisch gewachsenen Nägel, die braunen Leberflecke. Schnell drehe ich meine Hände um, wende die Innenflächen nach oben, so lasse ich sie liegen wie zwei Schüsselchen, in denen ich diese grüne Flüssigkeit empfangen will. Jetzt läuft er an der Lebenslinie abwärts, steigt dann auf den Jupiterberg, biegt rechts ab auf die Liebeslinie und verliert sich sanft auf dem Mondhügel … Meine Hände sind feucht, die Stirn – feucht, die Falten unter den Brüsten – feucht. Ich empfinde Ekel vor mir selbst. In meinem Nabel ist ein kleiner Finger, der in mir wühlt.
    Wer weiß, was heute Nacht mit mir los war, dass ich nicht schlafen konnte. Ich wälzte mich im Bett hin und her, hatte eine Reihe absonderlicher Wahnvorstellungen: Ich hielt meine Katze auf dem Arm, drückte auf ihren Bauch und schraubte ihr den Kopf ab. Ich wunderte mich, dass keine Zahnpasta aus der Tube kam. Oder ich probierte eine Reihe von Schuhen an, und wenn ich meine Füße wieder herauszog, waren sie zu hölzernen Schuhspannern geworden, die sich von den Fußknöcheln lösten. Ich beschloss, meine vergeblichen Einschlafversuche aufzugeben, und kam hierher ins Zimmer, um mir einen Film im Fernsehen anzuschauen. Es muss ungefähr zwölf Uhr gewesen sein, auf Antena 1 lief eine politische Sendung. Eine von der Sorte, du kennst sie bestimmt, in denen ein stockdummer Moderator hemdsärmlig seine Niveaulosigkeit und Unkenntnis zur Schau stellt. Die eingeladenen Studiogäste waren Adrian Păunescu und Sorin Roşca Stănescu. Das Thema war heikel: ein neuerlicher Versuch der Bergarbeiter, in Bukarest einzumarschieren, nachdem sie Bahnhöfe und Züge zerstört und selbst
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