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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb
Autoren: Clemens G. Arvay
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Vorwort
    Es geht (anscheinend) voran: Im Jahr 2012 griffen deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher häufiger zu Bioprodukten als je zuvor. Der gesamte Bio-Umsatz in Deutschland hat mittlerweile die Sieben-Milliarden-Euro-Marke übersprungen und einen Marktanteil von 3,9 Prozent erreicht. In Österreich sind es circa 6 Prozent und in der Schweiz etwas mehr als 4 Prozent. Auch allgemein scheint der Verbraucher aufgeklärter und bewusster geworden zu sein: Gemäß dem Trend sind vor allem Handelsmarken gefragt, die Premium-, Bio- oder Regionalprodukte anbieten, zulasten der bislang expandierenden Discounter-Szene. Stehen wir womöglich vor einer Trendwende in der Landwirtschaft oder trügt der Schein?
    Angesichts der rund 60 Milliarden Euro an Subventionen, die die Europäische Union allein in diesem Jahr in die Landwirtschaft stecken wird (knapp 40 Prozent des gesamten EU-Haushalts), ist eine Umverteilung hin zur Förderung ökologischer und kleinbäuerlicher Ansätze mehr als überfällig. Eine entsprechende Initiative des zuständigen EU-Kommissars zur EU-Agrarreform lässt hoffen. Er will Europas Bauern zwingen, wenigstens ein Mindestmaß an Klima- und Umweltauflagen zu erfüllen und sieben Prozent des Ackerlandes zu „ökologischen Vorrangflächen“ erklären, auf denen Gentechnik und Pestizide nichts zu suchen haben. Aber er hat die Rechnung ohne die mächtige – insbesondere deutsche – Agrarlobby der Lebensmittelkonzerne, Bauernverbände und der Chemieindustrie gemacht. Denen geht es nämlich vor allem um maximalen Profit. Sie wollen keine ernsthafte Reform, täuschen Aufgeschlossenheit vor und schmücken sich gern mit dem „grünen Mäntelchen“. Bio ist dabei nichts weiter als eine Marktnische, die es mitzunehmen gilt.
    Was und wer verbirgt sich tatsächlich hinter dem Bio-Boom? Diese Frage wird viel zu selten gestellt und ehrlich beantwortet. Der Agrarbiologe Clemens G. Arvay blickt als einer der wenigen in diesem Thema arbeitenden Journalisten hinter die Kulissen und schaut sich vor Ort in den Hühnerställen und Fleischfabriken genauer um. Gerade in seinen unter die Haut gehenden Berichten und in seinen Interviews mit Insiderinnen und Insidern aus der Lebensmittelbranche und der Landwirtschaft liegen die Stärken des vorliegenden Buches. Er berichtet aus erster Hand von Zuständen in der „Bio“-Industrie, die er auf einer elfwöchigen Reise quer durch Europa aufgedeckt hat. Und er führt uns vor Augen, dass der Öko-Boom eben nicht von ernsthaften ökologischen Vorreitern, sondern zu einem überwiegenden Teil von der konventionellen Industrie und dem konventionellen Handel bedient und genutzt wird, was zur sogenannten „Konventionalisierung des Biolandbaus“ geführt hat. Vom ethischen Umgang mit Lebewesen oder einem ökologischen Kreislaufgedanken bleibt wenig übrig. Stattdessen stößt Arvay auf irreführende Werbung und systematische Fehlinformation der Konsumentinnen und Konsumenten. Der sich „ursprünglich“ nennende Handel, so deckt er auf, schwindelt sich die Wirklichkeit zu Werbezwecken zurecht, indem er sogar „Bürgen“ für regionale Produkte vorführt, die selbst nichts davon wissen.
    Aber es geht auch anders: Im zweiten Teil des Buches trifft Arvay bei seiner Reise auf viele echte ökologische Vorreiter und Praktiker einer bewusst kleinstrukturierten Landwirtschaft, die alte und robuste Obst- und Gemüsesorten pflegen, solidarische und dezentrale Verteilungs- und Beschäftigungsbeispiele leben und eine tatsächlich nachhaltige Form der Landwirtschaft propagieren. Nur durch das bewusste Umdenken und Handeln eines aufgeklärten Verbrauchers und einer aufgeklärten Verbraucherin lässt sich die Macht der Lebensmittelkonzerne brechen, so das Plädoyer Arvays. Und nur eine kleinstrukturierte bäuerliche Landwirtschaft ist weltweit in der Lage, nachhaltig die Ernährung von Milliarden Menschen sicherzustellen.
    Das Buch von Clemens G. Arvay öffnet die Augen.

    Stefan Kreutzberger,
    Investigativjournalist und Autor von „Die Öko-Lüge“
    und „Die Essensvernichter“

Leserhinweis:

    Beim Verfassen des vorliegenden Buches wurde auf geschlechtsneutrale Formulierungen geachtet. Da Sachtexte ein besonders hohes Maß an Übersichtlichkeit und Lesbarkeit beanspruchen, konnte diesem Vorsatz jedoch nicht immer Folge geleistet werden. Sofern es aus dem Kontext nicht anders hervorgeht, sind stets Frauen wie Männer gleichermaßen gemeint und angesprochen.

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