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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb
Autoren: Clemens G. Arvay
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entgegnet.
    „Dessen bin ich mir bewusst“, erwiderte ich blitzartig, „deswegen halte ich mich ja nur außerhalb des Betriebsgeländes auf“. Tatsächlich hatte ich keinen Versuch unternommen, die lückenlose Absperrung zu überwinden. Ich hatte sämtliche an den Maschendrahtzäunen angebrachten Warn- und Verbotsschilder befolgt und befand mich lediglich auf einem angrenzenden Wiesengrundstück, das für jedermann zugänglich war. Deswegen stellte nun auch ich eine Frage, die ich für ausgesprochen berechtigt hielt: „Was ist denn so problematisch daran, wenn ich von außen – aus dieser Distanz – ein Foto Ihrer Stallanlagen mache? Die stehen doch hier öffentlich in der Landschaft und jeder Mensch kann sie sehen.“ Eine Straße führte an den Bio-Ställen vorbei und der Trampelpfad, von dem aus ich fotografiert hatte, wurde von Spaziergängerinnen und Spaziergängern täglich genutzt.
    „Wir befinden uns in einer empfindlichen Lage“, erklärte mir Herr Wehner, bevor er mich aufforderte, neben ihm im Wagen Platz zu nehmen. Ich blickte mich um: Weit und breit war außer uns beiden kein Mensch zu erblicken. Die Dämmerung war hereingebrochen und die Sonne hatte sich bereits hinter den Horizont geschoben. Obwohl ich kein Unrecht begangen hatte, wusste ich, dass ich von diesem Ort nicht so ohne Weiteres wieder wegkommen würde. Ich nahm auf dem Beifahrersitz Platz und wir fuhren den Hang hinunter bis vor ein großes, vergittertes Einfahrtstor, vor dem auch mein eigenes Auto geparkt war. Wir stiegen aus dem Wagen und warteten.
    Von der Straße aus näherte sich binnen fünf Minuten eine silberne, luxuriös anmutende Limousine und bog, graziös rollend, in den Feldweg ein. Der Schlitten wurde angehalten, der Rückwärtsgang eingelegt, das Steuer dabei stark eingeschlagen. Das schicke Auto kam schließlich quer zur Einfahrt zu stehen, sodass kein anderes Fahrzeug mehr passieren konnte. Die Ausfahrt war versperrt.
    Aus der Limousine stieg ein Mann und kam langsam auf uns zu. Er hielt etwas in seinen Händen, das mich noch mehr überraschte als das Blockieren der Ausfahrt. Es war ein Schlagstock aus Holz – ein Stück Materie, das man lieber nicht im Einsatz zu spüren bekommt.
    Der Neuankömmling hielt den Stock gut sichtbar neben seinem Körper, während er sich ganz langsam auf mich zu bewegte. Ich erkannte ihn, er war der Geschäftsführer des Erzeugerzusammenschlusses Fürstenhof, eines der größten Produktions- und Vermarktungsunternehmen für Bio-Eier in Deutschland. Sein Name: Friedrich Behrens. Die Fürstenhof-Eier sind unter den Bio-Labels der Supermärkte und Discounter überall in Deutschland erhältlich und werden außerdem über große Bio-Marken wie beispielsweise Alnatura vertrieben. Jahresproduktion: mehr als hundert Millionen Eier. Das Betriebsgelände, das ich von außen fotografiert hatte, war eines von zehn Standorten des Fürstenhof-Imperiums [3] , welches laufend vergrößert wird. Im Durchschnitt beherbergt jeder einzelne Standort 40.000 Bio-Legehennen, manchmal mehr und manchmal weniger. Herr Wehner, der mich mit seinem Wagen aufgegabelt hatte, war an diesem Standort Betriebsleiter.
    Der Fürstenhof-Geschäftsführer Friedrich Behrens ist Herr über insgesamt 400.000 [4] nach biologischen Richtlinien gehaltene, gackernde Federtiere. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis er sich in gemächlichem Tempo an mich heran bewegt und sich frontal vor mich gestellt hatte.
    „Als Sie mich gestern nachmittags gefragt haben“, so begann er seinen Auftritt, „habe ich Ihnen doch erklärt, dass es für Sie keinen weiteren Zugang zu unseren Betrieben gibt“.
    „Richtig. Deswegen habe ich das Gelände ja nicht betreten“, wiederholte ich mein Verteidigungsargument.
    Weshalb ich denn überhaupt Interesse an den Stallungen des Fürstenhofes hätte, fragte Behrens.
    Weil ich als Agrarbiologe einen Überblick über die Realität der Bio-Produktion erhalten und nicht auf die Behauptungen und Werbedarstellungen der Lebensmittelkonzerne angewiesen sein wolle, gab ich zur Antwort. „Ich mache mir lieber selbst ein Bild.“
    Nachdem wir den Ball auf diese Weise einige Male hin- und hergespielt hatten, sprach der Fürstenhof-Chef eine deutliche und unmissverständliche Warnung aus: „Alle unsere Mitarbeiter sind angewiesen“, eröffnete er, „gegenüber sämtlichen Personen, die sich unbefugt einem der Betriebsgelände nähern, hart durchzugreifen.“
    Während er das sagte, blickte ich auf den
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