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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb
Autoren: Clemens G. Arvay
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Csardahof befindet sich im Eigentum der Familie Dichand, in Österreich bekannt durch die Tageszeitung „Krone“.
    Nachdem mir Fürstenhof-Geschäftsführer Behrens gemeinsam mit seinen beiden Gefolgsleuten die Ausfahrt wieder freigegeben hatte, war ich erleichtert, in meinen Wagen einsteigen und davonfahren zu können. Ich setzte meine Reise fort, ohne in Erfahrung gebracht zu haben, welche Bio-Wirklichkeit sich hinter den Mauern der Stallanlagen verbarg, die ich gerade hinter mir ließ.
    Später führte ich noch ein persönliches Interview mit dem Betriebsleiter, Herrn Wehner. Ich sprach ihn auf den Holzstock an, der mich beunruhigt hatte. „Halten Sie es wirklich für angebracht, dass Herr Behrens mit einer Art ,Waffe‘ auftauchte?“, fragte ich.
    Das war die wörtliche Antwort: „Wissen Sie, der Mann guckt ein bisschen weiter, der weiß, was auf dem Markt los ist.“ Und immerhin, so hieß es, sei ich ja in Zusammenhang mit den Journalisten der ARD aufgetreten, da ich diesen ein Interview über die Bio-Industrie gegeben hatte.
    Bei den durch die ARD ausgestrahlten Schnappschüssen handelte es sich um Belege aus einer Welt, zu der die Öffentlichkeit üblicherweise keinen Zugang hat – Eindrücke aus einem Bio-Universum, dessen Existenz durch unzählige Gütesiegel, gewiefte Werbeslogans und eine märchenhaft inszenierte Marketingwelt verschleiert bleibt. Doch dieses verborgene Universum war nicht neu für mich, ganz im Gegenteil: Ich kannte die im deutschen Fernsehen gezeigten Haltungsformen bereits zur Genüge aus meinen jahrelangen Recherchen, die ich in der Bio-Lebensmittel-Industrie durchgeführt hatte. Ich war davon nicht im Geringsten überrascht. Die immer gleichen Tierhaltungsumstände, die ich so oft und hautnah miterlebt hatte, waren mir aus Österreich, Deutschland und anderen europäischen Ländern in lebhafter Erinnerung und konnten mich nicht mehr schockieren.
    Von nackten Kannibalen
    Wobei, ganz stimmt das nicht. Sicher, man bekommt mit der Zeit eine hartgesottene Schutzhülle, wenn man sich regelmäßig in den Produktionsstätten der Agrar- und Lebensmittelindustrie umsieht. Aber so abgebrüht bin ich noch nicht, dass mich Härtefälle nicht mehr vom Hocker reißen würden. Und die begegnen mir immer wieder.
    Nach meinem Besuch auf dem Fürstenhof-Gelände brach ich zu einem anderen Produzenten von biologischen Eiern auf – und zwar nach Niedersachsen. Der Betrieb steht unter Vertrag mit der Heidegold GmbH , einem deutschen Vermarktungsunternehmen für Eier. Man handelt dort nicht nur mit Bio-Eiern, sondern auch mit konventionellen Eiern aus Freiland- und Bodenhaltung sowie aus sogenannter „Kleingruppenhaltung“. Das ist eine modifizierte Form der Käfighaltung, die in manchen Ländern, wie etwa in Deutschland, erlaubt ist. Anderswo, zum Beispiel in Österreich, ist jede Form der Käfighaltung verboten, auch die Kleingruppenhaltung.
    Die Heidegold GmbH tritt auch als „Hühnerhof Heidegold“ auf. Die Homepage des Unternehmens ziert die Abbildung zweier Hühner vor einem golden in der Sonne liegenden Getreideacker – rechts daneben die Darstellung eines traditionellen Fachwerkbauernhauses. Doch dass mich in der Hühnerwelt von Heidegold keine derartige Landidylle erwarten würde, wusste ich bereits, als ich auf dem Weg zu einer der Bio-Produktionsstätten war. Ich hatte Bio-Eier aus diesem Betrieb in verschiedenen deutschen Supermarktfilialen gefunden. Der von der EU vorgeschriebene Code auf dem Ei machte mir die Rückverfolgung möglich.
    Schon von Weitem erkannte ich die Hühnerhalle und wusste, dass ich hier richtig sein musste. Das Gebäude hatte ein Fassungsvermögen von 12.000 Bio-Legehennen. Kaum war ich angekommen, kam der Hühnerhalter aus der Packhalle. „Ich habe Sie schon erwartet“, sagte er, während er mir die Türe in seinen Betrieb aufhielt. Selbstverständlich war auch dies – so wie üblich – ein angemeldeter Besuch von mir. Ich zog meinen Schuhen die blauen Plastikhüllen über, die mir entgegengestreckt wurden, hüllte mich in den weißen Mantel und griff zu meiner sperrigen Kameratasche.
    „Darf ich drinnen fotografieren und filmen?“, fragte ich.
    „Ja, nehmen Sie Ihre Kameras ruhig mit.“
    Die schwere Metalltüre ging auf und gab den Blick ins Innere der Stallung frei. Ich trat ein und stand in einer von vier Stalleinheiten, die – völlig EU-konform – mit 3.000 Legehennen besetzt war. Es lebten dort – ebenfalls ganz im Sinne der EU-Richtlinien
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