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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb
Autoren: Clemens G. Arvay
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für biologische Landwirtschaft – sechs auf Leistung getrimmte Legehennen pro Quadratmeter Stallfläche.

    Die EU-Richtlinien für biologische Landwirtschaft erlauben für die Eierproduktion 3.000 Legehennen pro Stalleinheit bei Besatzdichten von sechs Tieren pro Quadratmeter . In der biologischen Großproduktion werden diese Vorgaben in der Regel ausgeschöpft. Pro Betriebsstandort leben in Deutschland bis zu 70.000 Bio-Legehennen und in Österreich bis zu 18.000.

    Diese Zahlen für sich betrachtet lassen bereits erahnen, dass auch Biohühner in einer recht dichten Stallgesellschaft leben. Das ist aber noch nicht alles:
    Bei der Besatzdichte wird nicht nur die Grundfläche des Stalls gerechnet, sondern jede für Hühner begehbare, undurchlässige Fläche. Bei der in Österreich, Deutschland und der Schweiz vorherrschenden Volierenhaltung gibt es über der Bodenfläche noch zwei weitere Etagen, die den gesamten Stall durchziehen. Unter diesen Metall- und Gitterflächen, für die Hühnerfüße keineswegs geschaffen sind, laufen Fließbänder für den Kot. Die Flächen gelten daher als undurchlässig und werden der Stallfläche hinzugerechnet. Dies entspricht den EU-Biorichtlinien.

    Gemessen an der eigentlichen Grundfläche des Stalls drängen sich also stets deutlich mehr als sechs Bio-Legehennen pro Quadratmeter. Auch das ist in der Bio-Industrie Standard in ganz Europa.
    Bei Bio-Masthühnern beträgt die erlaubte Besatzdichte im Stall zehn Tiere pro Quadratmeter, was 21 Kilogramm Lebendgewicht entspricht. Die Tiere sind auf Stalleinheiten zu je 4.800 Stück aufgeteilt.

    Als ich die Produktionshalle betrat und die Bio-Legehennen aus dem Hause Heidegold sah, schoss mir ein Gedanke ein: „Schon wieder nackte Hühner!“ Ich griff zu meiner Fotokamera und tat einen großen Schritt nach vorne. Ich fühlte beim Auftreten den zentimeterhohen Hühnerkot unter meinen Füßen, dann hob ich die Kamera vor mein Gesicht und blickte den Betriebsleiter kurz an. Er nickte. Ich legte mein Auge an den Sucher und drückte den Auslöser [siehe Abb. 3–4 im Bildteil ].
    Mir kamen die beiden majestätischen Hühner und das urige Fachwerkhaus von der Homepage der Heidegold GmbH in den Sinn: „Was würde passieren“, dachte ich mir, „wenn stattdessen Fotos der Realität gezeigt würden? Ob es dann einen Aufstand der Konsumentinnen und Konsumenten gäbe?“
    Wir bewegten uns langsam durch die Stalleinheit. Am Ende öffnete ich eine weitere schwere Metalltüre und trat ins nächste Abteil ein – wieder mit 3.000 Hühnern besetzt. Ich bewegte mich weiter und stieß an eine andere Türe. Ich öffnete sie, schritt hindurch und stand in der dritten Stalleinheit, an deren Ende ich erneut eine Türe öffnete. Ich fühlte mich ein wenig wie in einem Wunderland, aber in keinem besonders schönen. Denn es war, als gelangte ich mit jedem Gang durch die Türe wieder dorthin, wo ich angefangen hatte. So sehr ähnelte eine Stalleinheit der anderen. Und jede war mit 3.000 spürbar gestressten Legehennen, die fast alle nackt waren, vollgestopft. Ich betrat schließlich das letzte Abteil.
    Der für die Heidegold GmbH produzierende Betrieb kam mir vor wie eine Art Hühnerhölle mit Biosiegel: In meinen Augen standen aufgrund der intensiven, scharfen Dämpfe bereits Tränen. Meine Nasenschleimhäute brannten und ich verspürte Hustenreiz. Mein Körper hatte begonnen, sich gegen dieses dunkle, mit künstlichem roten Licht ausgestattete Ambiente zur Wehr zu setzen. Anders als die Bio-Hühner hatte ich aber wenigstens die Perspektive, dieses Gebäude jederzeit verlassen zu können. Doch zuvor packte ich noch meine Filmkamera aus. Ich wollte das sichtlich nervöse Verhalten der Tiere festhalten und die unsagbar laute Geräuschkulisse dokumentieren: dieses ununterbrochene, ohrenbetäubende Gackern von Tausenden von Hühnern, von denen jedes einzelne unkoordiniert einfach nur Lärm machte. Von Kommunikation untereinander, zu der Hühner von Natur aus begabt sind, war nichts mehr zu spüren.

    Die an jenem Tag entstandenen Film- und Fotoaufnahmen aus diesem Stall, in dem für die Heidegold GmbH Bio-Eier erzeugt werden, finden Sie online unter:
www.frissoderstirb.info

    Nachdem ich mit dem Filmen und Fotografieren fertig war, hatte ich nur noch eines im Sinn: Frische Luft! Ich begab mich auf den Rückweg vom vierten ins dritte, vom dritten ins zweite und vom zweiten ins erste Stallabteil, von wo aus ich wieder unter freien Himmel gelangen würde. Doch ich
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