Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb
Autoren: Clemens G. Arvay
Vom Netzwerk:
Schlagstock in seinen Händen. Ich nahm diese Worte eher als bedrohlich denn als Warnung wahr. Dass ich wie ein Eindringling, ja fast wie ein Einbrecher behandelt wurde, empfand ich nicht als angebracht. Der noch immer anwesende Standortleiter, Frank Wehner, ließ mich wissen, dass auch er stets mit einem Stock ausgerüstet sei, wenn er sich auf dem Betrieb aufhalte. Noch immer verstand ich die Aufregung nicht.
    „Wissen Sie, wir wurden gelinkt“, erklärte mir Herr Wehner.
    „Gelinkt?“, fragte ich nach.
    Ja, das Filmteam des deutschen TV-Senders ARD habe den Fürstenhof hinters Licht geführt, übernahm Geschäftsführer Behrens die Antwort. Man habe den Kameraleuten offenherzig Zutritt in eine der Hühnerhallen gewährt, dann sei das Material ohne Erlaubnis gesendet worden. „Wie billig kann Bio sein?“, so hieß der Dokumentarstreifen der ARD. „Das waren aber keine aktuellen Aufnahmen“, spitzte Behrens den Vorwurf zu. „Außerdem wurde das Bildmaterial manipuliert“, ergänzte Wehner.
    „Wie denn?“, fragte ich.
    „Na, ganz einfach: mit Rotfiltern“, zeigte er sich überzeugt. „Da wirken dann auch gesunde Hühner zerrupft und verwundet.“ Noch dazu seien Aufnahmen gesendet worden, die von Tierschützerinnen und Tierschützern heimlich aufgezeichnet worden und somit illegal zustande gekommen seien, bemängelte Behrens das Vorgehen der Reporter. „Das ist kein seriöser Journalismus und dagegen wehren wir uns“.
    Herr Wehner bezeichnete das Vorgehen der Journalisten und Tierschützer sogar als „Denunzierung, das hatten wir in Deutschland bereits in den Dreißigerjahren einmal.“
    Vor meinen Augen kreiste eine Fliege. Ich hob meinen Arm und scheuchte das Insekt mit einer raschen Handbewegung davon. Beinahe im selben Augenblick drehte sich der Fürstenhof-Geschäftsführer reflexartig in die Richtung, in die ich meine Hand bewegt hatte, und richtete seinen Blick nach oben ins dämmrige Himmelszelt. „Sie kreisen sogar schon mit Hubschraubern über unseren Hallen“, kommentierte er seine erschrockene Reaktion. Ich fühlte, an der Richtigkeit dieser Aussage zweifelnd, wie sich meine Stirnfalten aneinanderlegten. Außerdem hatte ich doch nur eine kleine, schwarze Stubenfliege verjagen und nicht etwa Handzeichen an einen Piloten geben wollen.
    „Mit Hubschraubern?“, wiederholte ich die Essenz der Behauptung. „Wer sitzt denn da drinnen?“
    „Journalisten und Tierschützer“, antwortete Behrens überzeugt.
    Ich ersuchte den Dokumentarfilmer Knud Vetten, der für die Dreharbeiten im Auftrag der ARD zuständig war, um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen, die von den beiden Vertretern des Erzeugerzusammenschlusses Fürstenhof ihm und der ARD gegenüber gemacht wurden. Diese Stellungnahme lautet wie folgt:
    „Die Aufnahmen aus den Anlagen des Erzeugerzusammenschlusses Fürstenhof waren zum Zeitpunkt der Ausstrahlung des ARD-Films ,Wie billig kann Bio sein?‘ weniger als vier Monate ,alt‘.
    Filter kommen bei unseren Dreharbeiten gar nicht zum Einsatz. Dass die Legehennen zerrupft und verwundet aussahen, liegt an der Haltung dieser Tiere, am Management in den Ställen und an grassierenden Krankheiten. Das heißt, die gezeigten Legehennen waren tatsächlich zerrupft und verwundet.
    Die Behauptung, dass wir mit Tierschützern zusammen in Helikoptern Anlagen des Erzeugerzusammenschlusses Fürstenhof überflogen hätten, ist absurd.
    Zur Aussage von Frank Wehner, der das Vorgehen der Journalisten als , Denunzierung, das hatten wir in Deutschland bereits in den Dreißigerjahren einmal ‘ beschrieb, erübrigt sich jeglicher Kommentar. Dieser Vergleich ist unterhalb jedes Niveaus.“
    Die Bilder, die von der ARD gezeigt worden waren, bildeten das Stallinnere ab. Es waren schlecht befiederte Hühner mit entzündeter, nackter Haut zu sehen. In der Herde war ohne jeden Zweifel ein teuflisches Phänomen ausgebrochen, das als Federnkannibalismus bekannt und gefürchtet ist.

    Federnkannibalismus gilt als eine der häufigsten Formen der Verhaltensstörung bei Hühnern in intensiven biologischen sowie konventionellen Haltungsformen. Die Tiere picken einander bevorzugt in den Bereichen des Halses, des Rückens, des Schwanzes und der Kloake die Federn aus. Durch Federnkannibalismus werden große Bereiche der Körperoberflächen der Hühner in kurzer Zeit nackt, woraufhin es zu sekundären Infektionen des Haut- und Bindegewebes kommen kann. Oft werden die Federn verzehrt, um Nährstoffmangel auszugleichen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher