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Friss oder stirb

Friss oder stirb

Titel: Friss oder stirb
Autoren: Clemens G. Arvay
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Ausbeutung von Mensch und Umwelt sowie die Erschaffung des falschen Scheins durch Werbung und PR wirklich hinnehmen und sogar akzeptieren, dass selbst „Bio“ heute oft nichts anderes mehr ist als ein gigantischer Bluff gegenüber den Verbrauchern?
    Ich bin überzeugt davon, dass es auch anders geht. Ich mache mich nun auf, Antworten zu suchen und Ideen für konstruktive Lösungen zu finden. Ich werde durch ganz Deutschland, durch Österreich und die Schweiz reisen und mein Weg wird mich bis nach Großbritannien führen. Der entfernteste Punkt, den ich erreichen werde, liegt an der Küste von West-Wales. Dort gibt es zahlreiche Farmen, auf denen schon seit den 1970er-Jahren ökologisch gearbeitet wird – das sind echte Bio-Pioniere, die ihren Werten bis heute treu geblieben sind. Der wilden, mit Ginsterbüschen bewachsenen Küste von Wales, wo ich auch Freunde besuchen werde, fiebere ich regelrecht entgegen.
    Natürlich werde ich auch diesmal wieder hinter die Kulissen der europäischen Lebensmittelindustrie blicken, um zu berichten, was sich dort so alles hinter den wohlklingenden Werbeversprechen und vor allem unter dem grünen „Bio-Mäntelchen“ verbirgt.
    Seid doch so nett und seht in den nächsten Wochen ein wenig nach meinem Garten und dem Haus. Erntet, so viel ihr wollt, hebt mir aber bitte ein paar Kürbisse auf!
    In einer Welt der Dualität
    Einer der Ersten, der mir auf meiner Reise seine Gastfreundschaft schenkte, war Dr. Wolf-Dieter Storl. [ Abb. 1 ] Der promovierte Ethnobotaniker und Kulturanthropologe lebt in den Bergen im Allgäu, wo ich ihn und seine Familie besuchte. In den Medien wurde der Autor zahlreicher Bücher als „Der Schamane aus dem Allgäu“ bekannt. Um das Haus der Storls zu erreichen, fuhr ich eine entlegene Forststraße entlang, die mich in Serpentinen den Berg hinauf führte. Nebelschwaden begleiteten mich. Sie durchzogen den ausgedehnten Wald.
    Aus dem bläulichen Dunst tauchte ein mehrere hundert Jahre altes Haus auf, das – wie ich noch erfahren sollte – in einer ruhigen Phase des Dreißigjährigen Krieges von seinem damaligen Besitzer detailverliebt renoviert worden war. In der Eingangstüre wartete Christine Storl bereits auf mich und empfing mich warmherzig. Der mächtige alte Holzofen in der Stube faszinierte mich – auch er hatte mehrere hundert Jahre auf seinem gusseisernen Buckel. Umgeben von Kräutern, die zum Trocknen von der Decke herabhingen, fanden wir bei einem Glas Malzbier, das ganz in der Nähe gebraut worden war, rasch ein unerschöpfliches Gesprächsthema, das Wolf-Dieter Storl ebenso faszinierte wie mich selbst: alte Kulturpflanzensorten in Landwirtschaft und Garten. Üblicherweise nähere ich mich diesem Thema von der biowissenschaftlichen und der praktischen Seite. An diesem Abend brachte mir der Kräuterkundige aus dem Allgäu einen weiteren Zugang näher. Er erzählte über traditionelle symbolische Bedeutungen verschiedener Nutzpflanzen, die die Menschheit seit Jahrtausenden begleiten, und auch über Heilwirkungen der Acker- und Gartengewächse. Die Wurzelpetersilie, so erfuhr ich, die bereits auf eine lange Geschichte ihrer Kultivierung für den menschlichen Gebrauch zurückblickt, stand in der griechischen Mythologie symbolisch für Tod und Wiederauferstehung sowie für die Zeugungskraft des Mannes. Die Petersilie wurde daher als Grabschmuck verwendet. „Aber sie stand auch für die Überwindung des Chaotischen und den Sieg des Lebendigen“, ließ mich Wolf-Dieter Storl an seinem kulturhistorischen Wissen teilhaben. Über die Gurke lernte ich, dass ihre Samen als Wurmmittel Verwendung finden, und dass sie beispielsweise zur Blutreinigung und zur Ausleitung von Giften eingesetzt wird. Symbolisch steht die Gurke, die übrigens zu den Kürbisgewächsen zählt und deren Frucht in der Botanik den Beeren zugerechnet wird, für Ausgelassenheit sowie Fruchtbarkeit.
    Am nächsten Morgen, nach erholsamem Schlaf und kurz nach Sonnenaufgang, gingen wir gemeinsam in den Garten. „Ich habe den Beruf des Biogärtners gelernt“, überraschte mich Wolf-Dieter Storl. „Unseren Garten habe ich für die Selbstversorgung angelegt. Es gelingt uns jedes Jahr, das Gemüse, das wir brauchen, und auch einen Teil des Obstes selbst anzubauen.“ Ich war außerordentlich erfreut darüber, dass sich unser Gespräch auf ganz natürliche Weise in die Richtung des Themas „Lebensmittel“ bewegte, das auch mich beschäftigte.
    Auf dem Weg in den Garten kamen wir an einer
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