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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft
Autoren: Roger R. Talbot
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mit Bleigewichten hervorgeholt, die er ihm nun um die Taille legte. Dima hob instinktiv die Arme, um ihm die Arbeit zu erleichtern.
    Â»Danke, Gavril, und … verzeih mir«, verabschiedete er sich.
    Â»Schade, Dima«, bemerkte Gavril lakonisch. Dann küsste er ihn zweimal auf die Wange und schließlich auf den Mund. Ja, ein würziger, ein wirklich sehr guter Geruch, dachte Dima.
    Gavril verschwand unter Deck. Als sich die Glastür schloss, wies Kirill Dima mit höflicher Geste den Weg zum unteren Deck. Neben der Yacht wartete ein Schlauchboot, zu dem eine Strickleiter hinabführte.
    Durch die breite Tür aus Blendschutzglas beobachtete Gavril, wie sich das Boot mit Dima an Bord, Kirill an seiner Seite und Vladimir am Steuer entfernte. Die Wellen, die durch die Geschwindigkeit aufgepeitscht wurden, glänzten hell. Als das Fahrzeug eine Entfernung erreicht hatte, auf die man die Besatzung gerade noch erkennen konnte, sah er Dima nach der Pistole greifen und sich in den Kopf schießen. Der schlaffe Körper kippte über Bord und versank.
    Â»Zu früh, Dima«, schnaufte Gavril.
    Â»Zu früh für was?«, fragte Lena, die gerade hereintrat. Sie trug nun einen grauen Angorarolli und schwarze Röhrenhosen.
    Gavril eilte auf sie zu, fasste ihre Hände und küsste sie. »Heute Abend gehen wir an Land. Ich möchte dir etwas zeigen.«
    Â»Wie du wünschst«, willigte sie ein.
    Â»Ich werde mein neues Spielzeug bereitstellen lassen.«
    Lena streichelte ihm über das herbe Gesicht. »Scheinbar brauchst du das ganze Geld nur, um dir Spielzeug zu kaufen.«
    Â»Gibt es etwas Besseres?«
    Â»Edelsteine.«
    Gavril sah sie einen kurzen Moment lang an: »Mit einem Diamanten kannst du nicht übers Wasser und übers Land fahren.«
    Â»Diamanten sind nicht dazu geschaffen, sich mit ihnen zu vergnügen«, erwiderte sie. »Sie sind dazu geschaffen, schön zu sein.«
    Gavril steckte die Hand in die Tasche und zog eine kleine, mit einer Schleife verzierte Schachtel heraus.
    Â»Was ist das?«
    Â»Mach sie auf«, befahl er.
    Lena gehorchte. Sie enthielt einen 5-karätigen, in Platin gefassten Diamanten.
    Â»Er ist wunderschön.«
    Gavril nahm auf einem der hellbeigen Sofas der Lounge Platz. »Ich habe ihn von Dimas Frau. Sie hat ihn als Vertrauenspfand bezeichnet. Es war übrigens sie, die mich gewarnt hat.«
    Lena steckte den Ring an den Finger und drehte ihn im Licht, das durch das Bullauge fiel. »Wirklich wunderschön.«
    Zufrieden richtete sich Gavril auf. »Jetzt hast du auch ein neues Spielzeug.« Dann fügte er hinzu: »Aber du wirst sehen, dass meines schöner ist.«
    1 Wörtlich: »Weder Flaum noch Feder«, eine russische Redewendung, die dem deutschen »Hals- und Beinbruch« vergleichbar ist.

4
    London, Regent Street
Dienstag, 21. Dezember, 10.50 Uhr
    Victoria wurde erst bewusst, dass Weihnachten vor der Tür stand, als sie auf der überfüllten Regent Street mit dem Weihnachtsmann höchstpersönlich zusammenstieß. Der Mann verlor das Gleichgewicht und ließ den Kupferkessel fallen, der mit lautem Scheppern zu Boden fiel.
    Â» Wo hast du deinen Kopf, Mädel?«, schrie er. Er sah nichts mehr, weil ihm der Wattebart bei dem Zusammenstoß über die Augen gerutscht war.
    Â»Ich habe dich nicht gesehen …«, rechtfertigte sie sich mit leiser Stimme.
    Neben ihr, auf der verstopften Straße, fuhr ein Auto im Schritttempo. Zwei junge Männer beobachteten erstaunt die Szene. Aus dem halb geöffneten Wagenfenster drangen die bläulichen Rauchschwaden der Zigarette des Fahrers, begleitet von den Klängen des Young Man Blues von The Who.
    Victoria hatte das Gefühl, als bewege sich die Welt in Zeitlupe. Alles war so merkwürdig, in diesem Film fehlten die Frames : unpassendes Augenzwinkern, stumm sich bewegende Lippen, ein seltsam flatterndes Ladenschild. Die Welt musste wieder in Gang gebracht werden.
    Â»Wegen dir ist mein Topf runtergefallen!«, schimpfte der Weihnachtsmann aufgebracht.
    Â»Wie bitte?«, erwiderte Victoria, die allmählich aus ihrer Trance erwachte.
    Der Mann sammelte die herausgefallenen Zettel in den Kupferkessel: Werbeangebote, Weihnachtsrabatte und günstige Gelegenheiten, die man sich in dem Einkaufszentrum, für das er hier warb, auf keinen Fall entgehen lassen durfte.
    Victoria bückte sich, um ihm zu helfen, aber der Mann
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