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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft
Autoren: Roger R. Talbot
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könnte. Aber irgendetwas lag in der Luft, etwas sagte ihm, dass es nicht so war, dass Gavril Bescheid wusste und dass sein Aufenthalt auf diesem Technik-Monstrum ein schlechtes Ende nehmen würde. Schließlich begann er sogar zu hoffen, Gavril möge ihm die Pistole auf die Brust setzen und ihn erschießen, einfach so, ohne großes Drumherum, um der drückenden Angst ein rasches Ende zu setzen.
    Â»Lieber Dima«, begann Gavril schließlich mit unergründlicher Miene, »ich hatte noch keine Gelegenheit, dir für dein Geschenk zu danken.«
    Dima spürte die grauen Augen auf sich gerichtet und musste unwillkürlich an einen Steppenwolf kurz vor dem Angriff denken.
    Â»Meine geliebte Lena hat sich sehr über die Perlenkette gefreut«, fuhr sein Gastgeber in affektiertem Tonfall fort, während er das Gewehr vorsichtig in dem krokodilledernen Futteral verstaute und sich in dem Sessel direkt neben ihm niederließ.
    Er lächelte frostig. Kirill gab dem livrierten Kellner ein Zeichen, der sofort herbeieilte und auf einem Silbertablett ein Glas und eine kristallverzierte Flasche brachte.
    Dima war diese neue Manie des Chefs bereits zu Ohren gekommen: Zurzeit trank er nur Mineralwasser der Marke Bling H 2 O The Ten Thousand, Direktimport aus Dubai. Laut gut informierter Kreise zweitausendsechshundert Dollar die Flasche. Das unverwechselbare Logo bestätigte ihm, dass dieses Gerücht der Wahrheit entsprach. Der Mann ihm gegenüber konnte es sich leisten, für eine einfache Flasche Wasser so viel auszugeben, wie ein Arbeiter in drei Monaten verdiente. Ein Schlag ins Gesicht aller Russen, die am Hungertuch nagten. Nur zu gern wäre er an seiner Stelle gewesen. Vor allem in diesem Moment.
    Die Sonne war plötzlich hinter einer Wolke verschwunden, und die leichte Brise hatte sich in einen böigen Nordwind verwandelt.
    Â»Hast du mir etwas zu sagen, Dima?«, unterbrach Gavril das Schweigen.
    Dima schluckte. Was sollte er sagen? Sollte er alles gestehen, in der Hoffnung, seine Haut zu retten? Oder sollte er sich verstellen? Das konnte er gut. Beim Pokern war er unschlagbar, und seine Freunde nannten ihn deshalb Ni puha ni pera. 1
    Â» Ja, Gavril«, erwiderte er schließlich.
    Der Oligarch nahm einen kräftigen Schluck Wasser, stellte das Glas zurück auf das Tablett und entließ den Kellner mit einer Handbewegung.
    Â»Ich höre«, sagte er auffordernd.
    Dima wandte sich instinktiv um: Lena hatte sich erhoben und trat mit geradezu magischer Anmut auf sie zu. Der eng anliegende Morgenmantel aus Kaschmir betonte ihre Figur. Sie hielt inne, lehnte sich leicht mit dem Rücken an die Reling und hatte nur Augen für ihren Magnaten, als ob Dima und Kirill zwei vom Kellner vergessene, leere Gläser seien. »Liebling, wenn es dir nichts ausmacht, gehe ich mich umziehen …«
    Â»Sei in zehn Minuten wieder hier«, antwortete Gavril. »Das wird genügen, um unsere Angelegenheiten zu klären …«
    Dima deutete zum Abschied ein Grinsen an und hob sein Glas in Lenas Richtung. Bevor sie hinter der getönten Glastür verschwand, die in den Salon unter Deck führte, lächelte sie auf unergründliche Weise. Eine Aspisviper würde genauso lächeln, bevor sie dich beißt und dir ihr Gift einspritzt, dachte Dima. Er hatte sie noch nie ausstehen können. Die Geliebte eines der mächtigsten Männer Russlands hatte sich diese Rolle ohne Rücksicht auf Verluste erkämpft. Das war schon immer eine ihrer Stärken gewesen. Doch jetzt, da sie an Gavrils Seite stand, wollte sie von allen bewundert werden, als sei sie die Gottesmutter von Kasan.
    Dima hatte Angst vor Lena. Er lächelte höflich zurück und gab sich Mühe, aufrichtig zu wirken.
    Â»Jetzt können wir reden«, ermunterte ihn Gavril.
    Dima richtete sich auf und leerte sein Glas in einem Zug. Er spürte den Cocktail ölig die Kehle hinabrinnen, ihm die Worte schmieren, die er gleich sagen würde. »Es gibt ein Problem mit dem Olympischen Komitee …«, begann er. Dann holte er tief Luft, sprach aber nicht weiter.
    Â»Und?«, drängte Gavril.
    Dima drehte das Glas zwischen den Fingern. Sie zitterten nicht mehr. Er setzte nun alles auf eine Karte, und wann immer er in eine solche Situation geriet, wurde er zu einem Eisbrocken. »Unser Vorgehen hat die anderen verärgert«, erklärte er.
    Gavril saß da, die Hände vor dem Bauch
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