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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft
Autoren: Roger R. Talbot
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verschränkt, und schwieg. Sein roter, mit Goldkanten abgesetzter Brokatmorgenmantel gab den Blick auf die unbehaarte, tätowierte Brust frei. Keine Spur einer Gänsehaut, als ginge ihn die Temperatur nichts an.
    Â»Ich habe versucht, mit den anderen zu verhandeln, und werde vermutlich eine Einigung erzielen. Zum Vorteil aller«, fuhr Dima vorsichtig fort.
    Â»Erzähl«, verlangte Gavril und musterte ihn.
    Dima hoffte, dass ihm die Täuschung gelungen war. Vielleicht waren seine Schachzüge unentdeckt geblieben. Diese Vorstellung verlieh ihm ein wenig Mut, und er fuhr fort: »Wenn du zusätzliche Kosten von … dreihundert Millionen Dollar akzeptierst, liegt alles definitiv in deiner Hand. Wir sprechen über einen Umsatz von insgesamt zwölf Milliarden. Du würdest in jedem Fall einiges verdienen.«
    Â»Noch einen Drink, Dima?«, fragte Gavril und hob die Hand. Der Kellner eilte erneut herbei. Ohne eine Antwort abzuwarten, bestellte der Oligarch einen weiteren Kaiser. Dima nickte nur ergeben.
    Â»Und weiter?«, insistierte Gavril.
    Â»Das ist alles«, erklärte Dima und lehnte sich in seinem Liegestuhl zurück.
    Â»Das ist alles«, wiederholte Gavril und nickte.
    Dima fühlte sich zusehends wohler. Schließlich hatte er nicht gelogen. Diese Operation würde Derzhavin einen Haufen Geld einbringen, und welche Rolle spielte es da, dass die von ihm selbst geplante Investitionserhöhung um dreihundert Millionen seinen Anteil mehr als verdoppeln würde. Dima sah zur Küste. Sie lagen vor Sotschi, der Perle des Schwarzen Meeres. Russland hatte sowohl auf politischer als auch auf diplomatischer und wirtschaftlicher Ebene enormen Druck auf das Olympische Komitee ausgeübt. Gleichzeitig hatte man in den Nachrichten des Landes beinahe täglich Sotschi als Austragungsort für die Olympischen Spiele propagiert. Für den Präsidenten war das Ganze zu einer Art persönlichen Herausforderung geworden, die mit weiterreichenden Plänen zur Förderung des landesweiten Tourismus verknüpft war, wobei Sotschi das Leitprojekt darstellte. Bereits 2003 hatte Gazprom, als vermeintlicher Sponsor der Olympischen Spiele von 2014, Anspruch auf Krasnaja Poljana erhoben, wo zukünftig ein Teil der Wettkämpfe stattfinden sollte und der inmitten des kaukasischen Naturschutzparks lag. Ein riesiger Skisport- und Hotelkomplex war dort geplant, der nicht nur für die Spiele, sondern darüber hinaus für den gehobenen Tourismus bestimmt war. Für das Projekt Sotschi hatte man Investitionen von zwölf Milliarden Dollar veranschlagt, aber das war eine Fehlschätzung, wenn man die Kosten für den Ausbau und die Modernisierung des alten Flughafens in Betracht zog, zu dessen Hauptgesellschaftern Gavril zählte. Dabei interessierte es kaum, dass man − um Platz für die großen Hotel- und Sportanlagen zu schaffen − Häuser, Datschen und Ländereien von insgesamt fünf Dörfern und zwei ehemaligen Sowchosen gegen lächerliche Entschädigungssummen enteignen und die Bewohner wer weiß wohin umsiedeln würde. Bei dem Umsatz konnte sich Gavril noch so einige Kästen des teuersten Wassers leisten. Außerdem war das letztlich nicht Dimas Problem: Er selbst würde am Ende ein paar Millionen in der Tasche haben.
    Â»Mit wem hast du verhandelt?«, unterbrach Gavrils Frage seinen Gedankenfluss.
    Â»Was?« Dima hatte die Frage sehr wohl verstanden, er überlegte nur, ob Gavril von seiner heimlichen Übereinkunft mit Nicolas Dobycin, dem Boss, der das Gebiet von Sotschi bis nach Georgien kontrollierte, erfahren hatte.
    Â»Weißt du übrigens«, nahm Gavril den Faden wieder auf, während der Kellner Dima einen frischen Cocktail brachte und das leere Glas in Empfang nahm, »dass Alexej Krylov mich angerufen hat, um mir mitzuteilen, dass man ihn von den wichtigen Verhandlungen ausgeschlossen hat?«
    Dima begann erneut zu schwitzen. Dieser Hurensohn von Krylov hatte ihn verraten. Fünf Millionen Rubel hatten nicht genügt, um sein Schweigen zu erkaufen. Das würde er ihm heimzahlen, falls er hier lebend herauskam. »Krylov ist ein Arschloch«, erwiderte er, ohne nachzudenken. »Deshalb habe ich ihn ausgeschlossen. Wegen ihm drohte alles zu platzen. Er macht gemeinsame Sache mit Dobycin. Er ist zu gierig und außerdem zu dumm, um zu begreifen, dass er Mist gebaut hat.« Dima verschoss sein letztes Pulver,
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