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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques
Autoren: Fred Vargas
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und ich mach deswegen nicht so ein Theater.«
    Marc senkte den Kopf und verschränkte, plötzlich beruhigt, die Arme. Er warf einen kurzen Blick auf die Sängerin von der Westfront. Wie würde sie sich entscheiden, jetzt, wo ein degradierter alter Bulle im Haus oder, besser gesagt, in der Bruchbude saß?
    Sophia hing ihren Gedanken nach.
    »Es stört mich nicht, daß er da ist«, sagte sie.
    »Nichts ist vertrauenswürdiger als ein verkommener Bulle«, sagte Vandoosler der Ältere. »Der hat den Vorteil, lauschen und Sachen rausfinden zu wollen und doch gezwungen zu sein, das Maul zu halten. In gewisser Weise perfekt.«
    »Sogar als fragwürdiger Bulle«, fügte Marc mit etwas leiserer Stimme hinzu, »war mein Onkel ein großer Bulle. Das kann von Nutzen sein.«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Vandoosler und wandte sich wieder Sophia zu. »Madame Simeonidis wird darüber entscheiden. Natürlich nur, wenn es Probleme gibt. Und was die drei hier angeht, das sind keine Blödmänner. Sie können ebenfalls von Nutzen sein.«
    »Ich habe nicht gesagt, daß sie Blödmänner sind«, erwiderte Sophia.
    »Es ist manchmal gut, die Dinge klar und deutlich zu bezeichnen«, antwortete Vandoosler. »Über meinen Neffen Marc weiß ich einiges. Ich habe ihn in Paris aufgenommen, als er zwölf Jahre alt war... Das heißt, er war ein fast fertiger Mensch. Konfus, eigensinnig, exaltiert und schon zu pfiffig, um friedfertig zu sein. Ich habe nicht mehr viel machen können, außer ihm noch ein paar gesunde Grundsätze über das unentbehrliche Chaos einzutrichtern, das man beständig bewirken muß. Er war geschickt. Die beiden anderen lerne ich erst seit einer Woche kennen, und im Augenblick entwickelt sich das nicht allzu schlecht. Seltsame Zusammenstellung, und jeder einzelne an seinem großen Werk. Das ist lustig. Wie dem auch sei, es ist das erste Mal, daß ich von einem Fall wie dem Ihren höre. Sie haben mit dem Baum schon zu lange gewartet.«
    »Was hätte ich tun können?« fragte Sophia. »Die Polizei hätte mich ausgelacht.«
    »Ohne Zweifel«, erwiderte Vandoosler.
    »Und ich wollte meinen Mann nicht aufregen.«
    »Die Klugheit selbst.«
    »Also habe ich gewartet... bis ich die drei besser kennengelernt hatte. Die drei hier.«
    »Wie können wir vorgehen?« fragte Marc. »Ohne Ihren Mann zu beunruhigen?«
    »Ich habe gedacht, Sie könnten sich als städtische Arbeiter ausgeben«, erklärte Sophia. »Überprüfung alter elektrischer Leitungen oder sowas. Irgendwas, was einen kleinen Graben erforderlich macht. Einen Graben, der natürlich unter dem Baum durchgeht. Ich werde Ihnen das zusätzliche Geld besorgen für die Arbeitskleidung, für die Werkzeuge und den Lieferwagen, den sie ausleihen müssen.«
    »Gut«, sagte Marc.
    »Machbar«, sagte Mathias.
    »Sobald es um Gräben geht«, fügte Lucien hinzu, »bin ich dabei. Ich werde mich in der Schule krank melden. Für die Arbeit müssen wir gut und gern zwei Tage rechnen.«
    »Wären Sie kaltblütig genug, die Reaktion Ihres Mannes zu beobachten, wenn die drei mit dem Grabenplan bei ihm ankommen?« fragte Vandoosler.
    »Ich werde es versuchen«, antwortete Sophia.
    »Kennt er sie?«
    »Ich bin mir sicher, daß er sie nicht kennt. Sie interessieren ihn nicht im geringsten.«
    »Sehr schön«, sagte Marc. »Heute ist Donnerstag. Zeit genug, alle Einzelheiten vorzubereiten... Montag früh klingeln wir bei Ihnen.«
    »Danke«, sagte Sophia. »Es ist komisch, jetzt bin ich mir sicher, daß unter dem Baum nichts ist.«
    Sie öffnete ihre Handtasche.
    »Hier ist das Geld«, sagte sie. »Die gesamte Summe.«
    »Jetzt schon?« fragte Marc.
    Vandoosler der Ältere lächelte. Sophia Simeonidis war eine eigenartige Frau. Verschüchtert, unentschlossen, aber für das Geld hatte sie schon gesorgt. War sie so sicher gewesen, daß sie sie überzeugen würde? Das fand er interessant.

 
     
8
     
    Nachdem Sophia Simeonidis gegangen war, lief jeder etwas planlos durch den großen Raum. Vandoosler der Ältere zog es vor, in seinen Gemächern direkt unter dem Himmel zu Abend zu essen. Bevor er das Zimmer verließ, beobachtete er die anderen kurz. Jeder der drei Männer hatte sich seltsamerweise an eines der drei großen Fenster gelehnt und sah in den nächtlichen Garten hinaus. Unter den Rundbogen hätte man sie für drei zum Fenster gedrehte Statuen halten können. Die Statue von Mathias zur Linken, die von Marc in der Mitte, die von Lucien zur Rechten. Matthäus, Markus, Lukas, jeder
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