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Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Rainer Siegel
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Prolog
    BUDWEIS   Sommer 1291
    »Das ist nicht lustig!«, rief Franziska, als sie die Hand auf ihrer Schulter spürte. Sie dachte, eines der Kinder aus der Nachbarschaft wolle sie erschrecken. Sie wirbelte herum, doch sie erstarrte mitten in der Bewegung. Sie blickte geradewegs in das Gesicht des hässlichsten Mannes, den sie je gesehen hatte. Der magere, knochige Alte war dreckig und verlaust, und ein Augenlid hing seltsam nach unten. Das andere Auge stierte sie gierig an. Als er grinste, zeigten sich eklige schwarze Stummel, die schief in seinem Mund standen. Sein Atem, den er Franziska ins Gesicht blies, stank. Vergammelte Lumpen baumelten an seinem Leib, und seine zerfetzten Schuhe waren mit Schnüren umwickelt. Vergeblich versuchte Franziska, die Hand abzuschütteln, und sah sich nach Hilfe um; sie hatte allein auf der Weide des Rosshändlers gespielt und die Pferde mit Blättern und Gräsern gefüttert, den frischen, saftigen, die nur hier am Rand des Waldes wuchsen. Die Finger des abscheulichen Kerls rieben an dem guten, sauberen Stoff ihres Kleidchens und fassten in ihr Haar.
    »Was haben wir denn da Schönes, hm?«, geiferte der Mann. Gebückt stand er vor ihr und zog sie näher zu sich. Franziska sprang einen Schritt zurück, die Hand des Mannes rutschte von ihr ab. Er geriet aus dem Gleichgewicht und wäre fast gestürzt. Franziska machte kehrt und wolltedavonlaufen, doch eine zweite Lumpengestalt versperrte ihr den Weg. Als sie versuchte, seitwärts zu entkommen, griff plötzlich die Hand eines Dritten nach ihr und fasste den Kragen ihres Kleidchens. Franziska hörte den Stoff reißen und rannte weiter. Sie wusste, sie musste quer über die ganze Weide laufen, anschließend unter den Latten hindurchschlüpfen, die die Pferdekoppeln einsäumten, um auf den Hof Hermanns zu gelangen. Dorthin würden sich die Lumpen am helllichten Tag gewiss nicht wagen. Doch nur wenige Schritte gelangen ihr, bis ein kräftiger Stoß sie vornüberfallen ließ. Jemand drückte ihre Handgelenke hinter ihrem Rücken zusammen und presste ihr den Mund zu. Noch eine Gestalt war dazu gekommen, die irgendetwas von »In den Wald!« rief. Franziska wollte schreien, doch die Hand verschloss erbarmungslos ihren Mund. Dann wurde sie von starken Armen emporgerissen und davongetragen. Schreckliche Angst stieg in ihr auf.
    Mit einem Mal ließen die Kerle sie auf den Boden fallen. Sie sah einen der Männer von einem Armbrustbolzen durchbohrt auf dem Rücken liegen. Ein zweiter griff nach seinem Hals und berührte noch den Pfeil, der bis zum Gefieder darinsteckte, bevor auch er fiel. Das Schlagen galoppierender Hufe drang an ihr Ohr. Zwei Reiter näherten sich und hatten sie schon beinahe erreicht. Der vordere ließ die Armbrust sinken und zog sein Schwert. Das Blut des Mannes, der ihr eben noch den Mund zugehalten hatte, spritzte auf ihren Kittel, als er von einem mächtigen Hieb getroffen zu Boden sank. Der zweite Reiter setzte dem letzten überraschten Räuber nach, der sich gerade ins Unterholz schlagen wollte. Franziska hörte einen unmenschlichen, langgezogenen Schrei, der plötzlich erstarb. Der Reiter trieb sein Pferdvorsichtig rückwärts aus den Bäumen und wendete das Tier. Der Schaft seiner Lanze war blutig.
    »Dass sie so nahe an die Stadt herankommen, hätte ich nicht gedacht. Und Ihr, Herr Bero?«
    Der Angesprochene war abgestiegen und wischte seine Lanze im Gras sauber. »Dummköpfe allesamt. Reite zum Vogt und bestell ihm, dass wir wieder vier von ihnen erwischt haben. Er soll sie abholen lassen und ausstellen, vielleicht taugen sie ja zur Warnung.« Er zögerte einen Moment, als er auf das ängstlich zitternde Mädchen sah: »Bring das Kind nach Hause, bevor du losreitest.« Mit diesen Worten bestieg er sein Ross und ritt in Richtung der nahe gelegenen Straße von dannen. Der Knappe trat auf Franziska zu. Vorsichtig wollte er sie aufheben, doch sie war schon von selbst wieder auf die Beine gelangt. Er fragte sie nach ihrem Zuhause, und Franziska wies auf die Gebäude, deren Dächer man hinter der Weide und einem Obstgarten gerade noch ausmachen konnte. Langsam gingen sie los.
 
    Bero und sein Knappe hatten schon ein rundes Dutzend Räuber und Unruhestifter aufgespürt und zur Strecke gebracht. Wie viele von ihnen tatsächlich Verbrecher oder vielleicht nur arme Vagabunden waren, ließ sich nicht feststellen, da erst einer von ihnen vor Gericht gestanden hatte, und der war erwiesenermaßen ein Brandstifter und Mörder
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