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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques
Autoren: Fred Vargas
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dem Baum ist nichts, und das war’s.«
    »Sicher?« fragte Vandoosler mit dumpfer Stimme.
    Marc hob den Kopf. Diese dumpfe Stimme kannte er. Wenn der Pate so im Tran war, dann hatte er wieder mal gedacht.
    »Sicher«, antwortete Mathias. »Derjenige, der den Baum gepflanzt hat, hat nicht sehr tief gegraben. In siebzig Zentimeter Tiefe waren die Bodenschichten unberührt. Eine Art Aufschüttung vom Ende des 18. Jahrhunderts, aus der Zeit, in der das Haus gebaut wurde.«
    Mathias zog das Bruchstück einer weißen Tonpfeife aus seiner Tasche, deren Kopf voll Erde war, und legte sie auf den Tisch. Ende 18. Jahrhundert.
    »Da«, sagte er. »Für die Kunstliebhaber. Sophia Simeonidis kann jetzt ruhig schlafen. Und ihr Mann hat sich nicht gerührt, als wir davon gesprochen haben, bei ihm zu graben. Ruhiger Mensch.«
    »Vielleicht«, sagte Vandoosler. »Aber das erklärt noch nicht den Baum.«
    »Ganz richtig«, bemerkte Marc. »Das erklärt ihn nicht.«
    »Der Baum ist doch völlig egal«, sagte Lucien. »Es wird eine Wette oder sowas gewesen sein. Wir haben dreißigtausend Franc, und alle sind zufrieden. Jetzt wird zugeschüttet, und heute abend gehen wir um neun ins Bett. Rückzug in die Etappe. Ich bin völlig erledigt.«
    »Nein«, sagte Vandoosler. »Heute abend gehen wir aus.«
    »Kommissar«, sagte Mathias, »Lucien hat recht, wir sind völlig gerädert. Gehen Sie aus, wenn Sie wollen, aber wir gehen schlafen.«
    »Eine minimale Anstrengung, heiliger Matthäus.«
    »Ich heiße nicht heiliger Matthäus, verdammt noch mal!«
    »Natürlich nicht«, sagte Vandoosler achselzuckend. »Aber was macht das schon? Mathias oder Matthäus, Lucien oder Lukas... ist doch alles gleich. Und mich amüsiert es. In meinem hohen Alter bin ich umzingelt von Evangelisten. Und wo ist der vierte, na? Nirgends. Das ist es... ein Auto mit drei Rädern, ein Wagen mit drei Pferden. Wirklich komisch.«
    »Komisch? Weil er im Graben landet?« fragte Marc entnervt.
    »Nein«, erwiderte Vandoosler. »Weil er nie dahin fährt, wo man möchte, dahin, wo er hinsollte. Also unvorhersehbar. Das ist komisch. Nicht wahr, heiliger Matthäus?«
    »Wie Sie wollen«, antwortete Mathias seufzend, während er seine Hände aneinanderpreßte. »Jedenfalls wird auch das aus mir keinen Engel machen.«
    »Entschuldigung«, sagte Vandoosler, »aber es gibt nicht den geringsten Zusammenhang zwischen einem Evangelisten und einem Engel. Aber lassen wir das.
    Heute abend gibt die Nachbarin einen zwanglosen Umtrunk. Die im Osten. Anscheinend überkommt sie das häufiger. Sie ist festfreudig. Ich habe zugesagt und auch, daß wir alle vier kommen.«
    »Ein zwangloser Umtrunk?« fragte Lucien. »Kommt gar nicht in Frage. Pappbecher, saurer Weißwein, Pappteller voller salziger Schweinereien. Kommt gar nicht in Frage. Selbst in der Scheiße, verstehen Sie, Kommissar, vor allem in der Scheiße, kommt das gar nicht in Frage. Selbst auf Ihrem von drei Pferden gezogenen wackligen Wagen kommt das gar nicht in Frage. Entweder großer, prachtvoller Empfang oder gar nichts. Scheiße oder Größe, aber kein Kompromiß. Keinen goldenen Mittelweg. Auf dem goldenen Mittelweg verliere ich alle meine Möglichkeiten und bin über mich selbst erschüttert.«
    »Es findet nicht bei ihr statt«, sagte Vandoosler. »Sie besitzt das Restaurant ein Stück weiter unten, Le Tonneau. Sie würde Sie gern auf ein Glas einladen. Was soll daran schlecht sein? Die Juliette aus dem Osten ist einen Blick wert, und ihr Bruder arbeitet im Verlagswesen. Das kann noch mal nützlich sein. Vor allem sind Sophia Simeonidis und ihr Mann da. Sie kommen immer. Und mich interessiert es, das zu sehen.«
    »Sind Sophia und die Nachbarin befreundet?«
    »Sehr.«
    »Verbindungen zwischen West- und Ostfront«, sagte Lucien. »Wir laufen Gefahr, eingekesselt zu werden, wir müssen einen Durchbruch wagen. Pappbecher hin oder her.«
    »Wir entscheiden das heute abend«, sagte Marc, den die wechselnden und herrischen Wünsche seines Paten ermüdeten. Was wollte Vandoosler der Ältere? Eine Zerstreuung? Eine Untersuchung? Die Untersuchung war doch zu Ende, bevor sie begonnen hatte.
    »Wir haben dir gesagt, daß unter dem Baum nichts ist«, nahm Marc das Gespräch wieder auf. »Vergiß die Idee mit heute abend.«
    »Ich sehe den Zusammenhang nicht«, sagte Vandoosler.
    »Entschuldigung, aber du siehst ihn sehr wohl. Du willst etwas suchen. Egal was und egal wo, Hauptsache, du suchst.«
    »Na und?«
    »Also erfinde nicht, was
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