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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques
Autoren: Fred Vargas
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ist ihm gleichgültig. Er ist ein vielbeschäftigter Mann.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß es ihm scheißegal ist?« fragte Lucien.
    »Schlimmer. Er will nicht einmal mehr, daß ich davon rede. Es macht ihn verrückt.«
    »Merkwürdig«, sagte Marc.
    Lucien und Mathias nickten langsam mit dem Kopf.
    »Finden Sie das merkwürdig? Wirklich?« fragte Sophia.
    »Wirklich«, erwiderte Marc.
    »Ich auch«, murmelte Sophia.
    »Verzeihen Sie meine Unkenntnis«, sagte Marc. »Waren Sie eine sehr berühmte Sängerin?«
    »Nein«, antwortete Sophia. »Keine sehr große. Ich hatte gewisse Erfolge. Aber man hat mich nie ›die Simeonidis‹ genannt. Nein. Wenn Sie an einen leidenschaftlichen Verehrer denken, wie auch mein Mann vermutet hat, so ist das eine falsche Fährte. Ich hatte Bewunderer, aber ich habe keine Leidenschaften hervorgerufen. Fragen Sie Ihren Freund Mathias, er weiß ja offenbar Bescheid.«
    Mathias begnügte sich mit einer vagen Geste.
    »Na ja, schon ein bißchen mehr als das«, murmelte er. Es herrschte Stille. Gewandt füllte Lucien erneut die Gläser.
    »In Wahrheit haben Sie Angst«, stellte Lucien fest und fuchtelte mit seinem Holzlöffel herum. »Sie verdächtigen Ihren Mann nicht, Sie verdächtigen niemanden, Sie wollen vor allem an nichts denken, aber Sie haben Angst.«
    »Ich finde einfach keine Ruhe mehr«, murmelte Sophia.
    »Weil ein gepflanzter Baum Erde bedeutet«, fuhr Luden fort. »Und zwar Erde, die sich darunter befindet. Erde, die keiner mehr bewegen wird, weil ein Baum draufsteht. Versiegelte Erde. Um es direkt zu sagen: ein Grab. Nicht uninteressant als Problem.«
    Lucien war brutal und machte nicht viel Federlesens, wenn es um das Äußern von Ansichten ging. Im vorliegenden Fall hatte er recht.
    »Sagen wir, ohne so weit gehen zu wollen, daß ich sicher sein will«, sagte Sophia noch immer leise. »Ich will wissen, ob etwas darunter ist.«
    »Oder jemand«, ergänzte Lucien. »Haben Sie Anlaß, an jemand Bestimmten zu denken? Ihr Mann? Dunkle Geschäfte? Eine lästige Geliebte?«
    »Es reicht, Lucien«, sagte Marc. »Niemand hat dich gebeten, hier so vorzupreschen. Madame Simeonidis ist zu uns gekommen, weil ein Loch ausgehoben werden soll, und wegen nichts anderem. Bleiben wir dabei, sei so gut. Wir sollten nicht sinnlos Schaden anrichten. Im Augenblick geht es nur darum, zu graben, oder?«
    »Ja«, antwortete Sophia. »Dreißigtausend Francs.«
    »Warum soviel Geld? Das ist natürlich verlockend. Wir sind völlig blank.«
    »Das habe ich gemerkt«, sagte Sophia.
    »Aber das ist kein Grund, Ihnen so eine Summe abzuverlangen, nur um ein Loch auszuheben.«
    »Nun, man weiß ja nie«, erklärte Sophia. »Nach dem Loch... Falls danach noch etwas kommt, ist es mir vielleicht lieber, daß Sie schweigen. Und das kostet.«
    »Verstehe«, sagte Mathias. »Aber sind alle hier einverstanden damit, zu graben, egal mit welchen Folgen?«
    Erneut Schweigen. Kein einfaches Problem. In ihrer Lage war die Summe natürlich verlockend. Andererseits wurde man durch die Kohle zu Komplizen. Zu wessen Komplizen eigentlich?
    »Natürlich muß gegraben werden«, sagte eine sanfte Stimme.
    Alle drehten sich um. Der alte Patenonkel betrat den Raum, schenkte sich etwas zu trinken ein, als ob nichts wäre, und begrüßte Madame Simeonidis. Sophia sah ihn sich an. Von nahem betrachtet war er nicht Alexander der Große. Er wirkte nur groß, weil er schlank war und sich sehr aufrecht hielt. Aber das Gesicht. Eine verblaßte Schönheit, die noch immer wirkte. Nicht hart, aber mit klaren Linien, eine Hakennase, unregelmäßige Lippen, leicht dreieckige Augen und ein voller Blick, alles war dafür geschaffen, zu bezaubern, und zwar schnell zu bezaubern. Sophia musterte dieses Gesicht und ließ ihm in Gedanken Gerechtigkeit widerfahren. Intelligenz, Brillanz, Sanftmut, vielleicht Doppelzüngigkeit. Der Alte fuhr sich mit der Hand durch sein Haar, das nicht grau war, sondern halb schwarz, halb weiß, und das etwas zu lang in Locken in den Nacken fiel, und setzte sich. Er hatte gesprochen. Sie würden das Loch graben. Niemand würde daran denken, ihm zu widersprechen.
    »Ich habe an der Tür gelauscht«, sagte er. »Madame hat ja auch an den Fenstern gelauscht. Bei mir ist es ein Tick, eine alte Gewohnheit. Es stört mich überhaupt nicht.«
    »Das ist ja nett«, sagte Lucien.
    »Madame hat in allen Punkten recht«, fuhr der Alte fort. »Es muß gegraben werden.«
    Verlegen stand Marc auf.
    »Das ist mein Onkel«, sagte
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