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Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Titel: Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen
Autoren: Wolfgang Brenner
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daran, sich ein Mausoleum zu leisten.«
    »Das ist doch die, die, bevor ihre Couchgarnitur abbezahlt war, schon eine neue bestellt hat? Was hat es für einen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen? Wir leben jetzt – und hier. Die Gänse machen nur so ein Geschnatter, weil sie im Diesseits wenig Ablenkung haben.«
    Elke setzte sich neben ihn und streichelte ihm die Schläfen. Das tat sie immer, wenn sie melancholisch war.
    »Das mag ich an dir: Dass du so pragmatisch und lebensbejahend bist.« Sie seufzte. »Uns Frauen fehlt dieser Zug bisweilen.«
    Ein seltener Moment tiefer Selbsterkenntnis. Schmalenbach schenkte ihr ein Lächeln dafür.
    »Dann hast du sicher auch nichts dagegen, dass wir dich einebnen lassen?«, fragte sie.
    »Was?«
    »Du, das machen jetzt ganz viele. Es ist einfach stilvoller als die geschmacklosen Grabsteine. Und man bürdet den Hinterbliebenen keine unzumutbaren Belastungen auf. Eine aufgeklärte Art zu gehen. Ich wusste, dass du dich dafür begeistern würdest.«
    »Ich soll mich dafür begeistern, eingeebnet zu werden?«
    »Nun stell es dir doch nicht gleich so tiefbaumäßig vor, Schmalenbach! Das, was von dir übrig ist, wird begraben. Darüber kommt ein schöner Rasen. Alle paar Wochen mäht der Gärtner mit seinem Traktor drüber weg. Es sieht nobel aus. Und es ist hygienisch. Und ich habe keine Arbeit mehr mit dir.«
    »Wie kommst du darauf, ich würde vor dir sterben?«
    Sie lachte hell und selbstgewiss. »Aber, mein Liebster, du bist älter als ich. Und schwächer. Ganz abgesehen von den genetischen Vorgaben. In meiner Familie werden sie steinalt.«
    »Dein Vater ist schon seit Jahren tot«, wandte Schmalenbach ein.
    Elkes Stimme wurde kalt. »Lass meinen armen Vater aus dem Spiel! Seine Gene waren super. Er ist bloß von einer Lokomotive überfahren worden. Genetisch ist das irrelevant.«
    Dann schwiegen sie eine Weile. »Diese pfeifenbergersche Haltung passt zu dir«, sagte Elke irgendwann. »Motto: Was geht das mich an, was mit den anderen ist, wenn ich tot bin?«
    »Ich würde jeden Tag dein Grab besuchen und die Blumen gießen. Oder jeden zweiten Tag.«
    Elke steckte sich eine Zigarette an und blies ihm den Rauch ins Gesicht. »Statistisch gesehen müsstest du wahrscheinlich schon tot sein, aber du spuckst immer noch große Töne.«
    Das war zu viel. Schmalenbach rannte in den Flur und zog seinen Mantel über.
    »Ja, renn nur weg, wenn es ernst wird! Das machst du ja immer. Dein ganzes Leben lang bist du vor der Verantwortung davongerannt. Der Tod ist nur die letzte Hürde, die du noch nehmen musst. Ich kann ja sehen, wo ich bleibe. Wir sind nicht verheiratet. Von deiner Rente habe ich also keinen Cent. Und deine Sparbücher und Aktien bekommt dein krimineller Offenbacher Bruder. Ich kann ja mit siebzig noch ganz gut putzen gehen – oder auf den Strich …«
    Jetzt reichte es endgültig. Schmalenbach schlug die Tür zu und rannte ins »Promi«.
    »Klar, dass dir das an die Nieren geht«, kommentierte Pfeifenberger die Angelegenheit. »Aber du musst Elke verstehen. Die Frauen sind arm dran, wenn wir Kerle mal den Löffel abgeben. Ich habe dafür gesorgt, dass Carola alles bekommt, was sie braucht. Seither schlafe ich besser.«
    Schmalenbach hingegen schlief in dieser Nacht überhaupt nicht. Er zermarterte sich das Hirn: War er ungerecht gewesen? Hatte er ein ernstes Anliegen ignoriert? Er wälzte sich von einer Seite auf die andere und hörte Elke schwer durch die Nase atmen. Das arme Ding.
    Am nächsten Morgen lag eine Verfügung neben Elkes Frühstücksteller. Schmalenbach hinterließ ihr mit der formlosen Erklärung nach seinem Tod sein ganzes Vermögen. Er war richtig erleichtert, als er seine Unterschrift unter das Blatt setzte. Sicher würde sie ihn gerührt umarmen, wenn sie es las. Es war ja auch ein mutiger Schritt. Aber – dessen war er sich nach den langen Kämpfen dieser Nacht sicher – Elke hatte es verdient.
    Dann aber brauchte sie mal wieder zu lange im Bad, und Schmalenbach musste los, ohne ihre Reaktion auf die Verfügung gesehen zu haben.
    Als er abends erwartungsvoll aus dem Büro kam, hantierte Elke in der Küche. Schon wieder war ein Marmorkuchen in der Backröhre. Elke schaute nicht einmal auf, als er eintrat. Verhielt sich so eine Alleinerbin ihrem Gönner gegenüber?
    »Hast du das Dokument gesehen, das ich dir hinterlassen habe?«, fragte er.
    »Meine Kolleginnen im Büro sagen übereinstimmend: Er ist juristisch etwa so viel wert wie das
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