Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Titel: Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen
Autoren: Wolfgang Brenner
Vom Netzwerk:
Verwöhnaroma beim Kaffee«, meinte Elke.
    »Kein Wunder: Die Kerle deiner Kolleginnen sind doch alle mit deren Ersparnissen durchgegangen.«
    »Der Wisch ist nichts wert, weil ich keinen Erbschein habe. Und einen Erbschein bekommt nur dein verkommener Bruder, der auf deinem Grab tanzen wird, während ich vor Kummer und Trauer dahinschmelze.«
    Schmalenbach musste sich setzen. Konnte es sein, dass es diese Lücke im Gesetz gab? Stand Elke nach seinem epochalen Schritt etwa genauso mittellos da wie vorher?
    Sie setzte sich zu ihm und streichelte ihm wieder seine Schläfen. »Es ist ganz einfach. Du stellst mir eine Bankvollmacht aus. Fertig. Damit bin ich abgesichert. Eine Formalität.«
    »Eine Bankvollmacht?«
    Elke ging in den Flur, kramte in ihrer Tasche und kam mit einem Umschlag zurück. »Ich habe dir den Weg abgenommen und bin schon mal bei der Bank vorbeigegangen.« Sie reichte ihm den Umschlag. Es stand wirklich »Bankvollmacht« drauf. Schmalenbach wurde schwindelig. Er fürchtete plötzlich, er würde ohnmächtig werden – wie mit Elke in der Sauna.
    »Oder hast du etwa ein Problem damit? Dann sag es! Ich möchte dich nicht bedrängen.«
    »Ein Problem? Nein, wie käme ich denn dazu? Es ist doch bloß eine Formalität.«
    »Du musst nur unterschreiben!«
    Schmalenbachs Hand zitterte, als sie den Stift hielt. Zum Glück klingelte das Telefon. Pfeifenberger war dran. Schmalenbach schloss die Tür hinter sich und erzählte dem Freund von der Bankvollmacht.
    »Ich weiß, es ist nicht einfach. Aber du musst über deinen Schatten springen. Unterschreibe schnell, nachher geht es dir besser!«, riet Pfeifenberger. »Ich habe zwei Wochen mit mir gekämpft, ich weiß, wovon ich rede. Mein Verhältnis zu Carola hat sich danach ungemein verbessert.«
    Schmalenbach machte einen zweiten Anlauf. Elke stand neben ihm und wippte mit dem Knie. »Es verändert nichts zwischen uns, wenn du es nicht tust«, erklärte sie tonlos.
    Schmalenbach rannte hinaus. Stundenlang lief er am Main entlang. Als die Sonne unterging, traf er einen Entschluss. Man kann mit Fug und Recht behaupten, es war der schwerste seines Lebens. Schließlich ging es um sein Vermögen, um sein Hab und Gut, um seine bürgerliche Existenz.
    Pfeifenberger hatte Recht: Danach fühlte man sich leichter. Schmalenbach sah zu, wie seine Unterschrift auf der Vollmacht trocknete. Eine große innere Ruhe erfüllte ihn. Er freute sich auf die dankbaren Augen seiner Elke.
    Elke schaute seine Unterschrift auf der Vollmacht nicht mal an. Sie zerriss das Dokument und warf die Schnipsel ins Klo. Dann spülte sie ab. »Damit du siehst, was ich von deinen Verfügungen halte.« Schmalenbach stand mit offenem Mund da.
    »Übrigens«, fuhr Elke beiläufig fort, während sie in ihren kürzesten Rock schlüpfte und sich die Haare wild toupierte. »Die Bodybuilderin aus Darmstadt hat angerufen. Ich soll dir ausrichten, euer Saunatag ist diese Woche nicht Mittwoch, sondern Donnerstag. Bei mir wird’s heute Nacht sicher spät. Nicht aufbleiben!« Dann war sie weg.
    Schmalenbach dachte viel nach. Über die Vergänglichkeit, über das Materielle und über das Saunen.

Der Aufkleber
     
    Wir müssen uns einem Kapitel in Schmalenbachs Leben zuwenden, das sehr intim ist. Schmalenbach selbst würde am liebsten kein Wort darüber verlieren – aber wie so oft zwingen ihn andere in die Offensive. Er mag konfliktscheu sein und auch ein bisschen verklemmt. Keiner weiß das besser als er selbst. Aber feige ist er nicht. Vor allem dann nicht, wenn es um seine Würde als Mann geht.
    Jetzt werden einige aufschreien: Was soll denn das? Seine Würde als Mann? Heutzutage! Wo sich die Geschlechter bis zur Ununterscheidbarkeit einander angenähert haben.
    Schmalenbach ist beileibe keiner, der glaubt, sich als Mann etwas herausnehmen zu dürfen. Aber er hat eine gewisse Sensibilität. Er ist – einfach gesagt – leicht zu kränken.
    Pfeifenberger glaubt, dass Männer intelligenter sind als Frauen. Wissenschaftlich erwiesen ist das nicht – aber das Gegenteil ist es auch nicht, sagt Pfeifenberger.
    Elvira hat nicht mal Mittlere Reife, und sie weiß nicht genau, was Intersubjektivität ist. Auf jeden Fall ist es besser, nicht weiter darauf einzugehen, was sie sich darunter vorstellt.
    Pfeifenberger hat Abitur (zweiter Bildungsweg, siebziger Jahre, als man nur versprechen musste, von der Allgemeinen Hochschulreife keinen Gebrauch zu machen, um sie zu bekommen). Aber er weiß auch nicht, was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher