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Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Titel: Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Furztrocken.«
    »Aha!« Schmalenbach fand, dass es Zeit war, zum Angriff überzugehen. »Du überprüfst die Feuchtigkeit unserer Zahnbürsten? Was überprüfst du denn sonst noch so? Meine Socken? Meine Kontoauszüge …«
    »Nun lenk nicht ab! Du hast eindeutig heute Morgen meine Zahnbürste benutzt. Deine Bürste blieb unbenutzt, deshalb ist sie trocken. Hör auf, dich zu winden wie ein Ladendieb!«
    »Mal ganz vernünftig, Elke, warum sollte ich so was tun?«
    Elke fixierte ihn lange. »Um mich zu terrorisieren. Du weißt, wie penibel ich in diesen Dingen bin. Ich muss mir heute noch eine neue Zahnbürste besorgen. Ich will nicht deine Zahngeschwüre und deinen Karies haben. Meine Zähne sind gepflegt und in Ordnung. Mein Zahnarzt gratuliert mir jedes Mal. Kürzlich hat er gesagt, wenn alle so wie Sie wären, Elke …«
    »Ich habe deine Zahnbürste nicht benutzt! Ich will dich auch nicht terrorisieren, Elke!«
    Elkes Nasenflügel blähten sich rhythmisch auf. »Gut. Ganz von vorne und ohne illegale Druckmittel. Wir leben ja schließlich in einem Rechtsstaat, der solche Schmuddelkerle wie dich unter Naturschutz stellt, während die Frauen, die sie mit ihrem kaputten Sanitärverhalten in den Wahnsinn treiben, als hysterische Ziegen diffamiert werden. Mit welcher Zahnbürste hast du dir heute Morgen die Zähne geputzt, Schmalenbach?«
    »Mit meiner natürlich. Wie immer.«
    »Rekonstruieren wir die Ereignisse! Du hast dich ins Bad geschlichen …«
    »Ich habe mir wie jeden Morgen mein Gesicht gründlich gewaschen und mir meine Zähne geputzt. Mit meiner Zahnbürste. Mit meiner orangenen Zahnbürste.«
    Elkes Hände begannen zu zittern, Schweißtropfen traten auf ihre Stirn. »Deine ist die gelbe!«
    Schmalenbach blieb ganz ruhig. »Du irrst dich. Meine Zahnbürste ist orange, deine ist gelb.«
    »Nein, Schmalenbach, meine ist orange – und das schon seit Monaten.« Elkes Gesicht war verzerrt vor Wut und Schmerz. »Ich habe uns beiden vor einem halben Jahr zwei neue Zahnbürsten gekauft. Ich habe sie ausgepackt und in den Zahnbecher gestellt, und ich habe zu dir gesagt: Deine ist gelb, meine ist orange.«
    Schmalenbach versuchte, sich genau zu erinnern. »Ich glaube, du täuschst dich.«
    »Ich täusche mich nicht: Du putzt dir also seit Monaten mit der orangenen Zahnbürste die Zähne, weil du Vollidiot der Meinung bist, es sei deine?«
    »Ich würde es etwas anders formulieren. Aber irgendwie trifft es den Kern der Sache.«
    »Wir benutzen seit einem halben Jahr zusammen eine Zahnbürste – nämlich meine!«
    Wahrscheinlich hatte sie Recht, aber zu ändern war das jetzt auch nicht mehr. »Mensch, Elke, was ist schon dabei? Wir haben alle möglichen Körpersäfte miteinander ausgetauscht. Was macht es da aus, wenn ich mir mit deiner Zahnbürste die Zähne putze – oder du dir mit meiner?«
    Elke wurde panisch. Sie rannte hinaus, rumorte im Flur, war wenig später im Mantel und mit Schuhen zurück, ihr Haar hing ihr wirr in die Stirn. »Ich muss sofort los. Zum Zahnarzt.«
    Schmalenbach wurde die Sache immer mulmiger. »Hör mal, Liebes …«
    Sie brüllte ihn an: »Nenn mich bitte nie wieder Liebes!«
    »Elke, es ist doch so …«
    »Nenn mich auch nicht mehr Elke!« Jetzt kamen die Tränen. »Ich fühle mich so verdammt erniedrigt. Wenn ich mich wehren könnte: Aber so …« Sie rannte schluchzend davon.
     
    »Für mich wäre das ein Trennungsgrund«, sagte Germersheimer düster, als Schmalenbach ihm am Abend von dem Zerwürfnis berichtete.
    »Ich kann mich nicht von Elke trennen, nur weil sie eigen ist, wenn es um Zahnpflege geht.«
    Germersheimer musterte Schmalenbach mit unverhohlener Abscheu. »Ich meinte nicht, ein Trennungsgrund für dich, sondern einer für Elke!«
    Wieder einmal war bewiesen, dass schwache Charaktere in Konfliktsituationen zum Verrat an den engsten Freunden neigen.
    »Ich würde auf getrennte Badezimmer bestehen«, sagte Elvira, die Kellnerin. Und Dieter, der Wirt, dem das Gesundheitsamt wegen seiner schlechten Zähne die Schankgenehmigung hatte entziehen lassen wollen, behauptete sogar, im Fernsehen wäre in Zusammenhang mit MKS vor der Benutzung fremder Zahnbürsten gewarnt worden.
    Nur Pfeifenberger bewies mal wieder Souveränität.
    »Was soll die Aufregung? Ich komme aus einer Großfamilie. Da gab es nicht für jeden eine eigene Zahnbürste. Die Menschen heutzutage sind völlig verweichlicht. Der natürliche und unverkrampfte Umgang mit ihrem Körper ist ihnen nicht mehr
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